Der
Glaube des Paulus
Textstellen: Röm 11,1; 1 Kor 4,12; 1 Kor 9,1; 1 Kor 15,8-11; 2 Kor
11,22-33; 2 Kor 12,1-7; Gal 1,10-24; Phil 3,1-11; 1 Thess 2,1-12
Der Apostel Paulus beschreibt immer wieder seine religiöse Biographie. Er war
ursprünglich Jude, Pharisäer, eifriger Repräsentant seines Glaubens,
Israelit, Nachfahre Abrahams aus dem Stamme Benjamin.
In seinem religiösen Eifer ging er soweit, dass er einer der größten
Verfolger der Anhänger Christi, der Kirche, wurde.
Erst durch sein Damaskus-Erlebnis, das er als Gnade Gottes versteht, wurde er
bekehrt und jetzt zu einem der eifrigsten Missionare in der Sache Jesu
Christi.
Es liegt Paulus offensichtlich sehr daran, dass sein früher Glaube und sein
religiöses Bekenntnis als Jude in Kontinuität mit seiner späteren
Überzeugung steht. So jedenfalls könnte die Stelle in Röm 11,1 gedeutet
werden, wo er darauf verweist, dass Gott (und damit ist wohl der Gott der
Juden) gemeint, sein Volk eben nicht verstoßen hat, weil ja auch er ein
Nachkomme Abrahams, des „Vaters des Glaubens“ (Röm 4,11), wie ihn Paulus
selbst nennt.
Sein Glaube und sein missionarischer Eifer werden auf harte Proben gestellt.
Paulus sah sich vielfältigen Nachstellungen und Peinigungen ausgesetzt
(Auspeitschen, Schläge, Steinigung, Schiffbruch). Äußere Verfolgung und
Anfeindung konnte ihn allerdings nicht von seiner Überzeugung abbringen. Im
Gegenteil. Apostel zu sein, und damit Ausgesandter Jesu Christi bedeutet für
ihn, frei zu sein (vgl. 1 Kor 9,1). Obwohl Beschimpfungen ausgesetzt und
Verfolgung erleidend, stellt sich Paulus als einer dar, der segnete und auch
in der Verfolgung seiner Überzeugung treu blieb und im Glauben standgehalten
hat.
Wohl aufgrund seiner Biographie als Christenverfolger bezeichnet sich Paulus
als Missgeburt, als geringsten der Apostel, der die Kirche Gottes verfolgt
hatte und nur durch die Gnade Gottes bekehrt wurde (vgl. 1 Kor 15,8-11).
Rückblickend stellt er fast resigniert fest, dass das was ihm einstmals als
Gewinn erschient, nämlich Jude zu sein, sich jetzt als Verlust herausstellt.
Sein Engagement in der Nachfolge Christi versteht er nicht als eigenes
Verdienst, sondern als von der Gnade Gottes und seinem Bemühen ermöglicht.
Wenngleich seine Berufung erst spät erfolgte, verstand er sich doch schon als
einer „der im Mutterleib durch Gnade berufen wurde“ (vgl. Gal 1,10-24).
Für Paulus, der ein „klassische“ Konvertitenbiographie aufweist (konvertieren
bedeutet, den Glauben zu wechseln) spielte sein jüdischer Glaube schon
eine zentrale Rolle. Noch mehr gilt dies für seinen Glauben an Jesus
Christus, auf den er seine Existenz „baut“. Für diesen Glauben ist er
bereit, alle Verfolgungen auf sich zu nehmen. Er ist im besten Sinne des
Wortes „ergriffen“ von seinem Glauben. Dabei liegt ihm daran, seinen
jüdischen Glauben nicht einfach über Bord zu werfen, sondern diesen als Teil
seines Glaubens an JChr zu integrieren. Immerhin war er einmal stolz darauf,
zur Gemeinschaft der Pharisäer zu gehören und sich in ausgewiesener
Gesetzesfrömmigkeit profiliert zu haben. Paulus war durch und durch Jude und
hasste geradezu die „Sekte der Nazarener“ (Apg 24,5). Das „Damaskus-Erlebnis“,
seine Bekehrung (vgl. Apg 9,3ff) hinterließ ihn zunächst als „gebrochenen
Mann“.
Ab diesem Zeitpunkt ist für ihn Jesus der Messias Gottes, der Heiland der
Welt. Gerechtigkeit vor Gott erlangt der Mensch nach seiner jetzigen
Erkenntnis nicht durch Befolgung der Gesetze, sondern durch Glaube an das
Evangelium, an die Botschaft von Jesus Christus, dessen Tod und Auferstehung.
Dieses Prinzip, dass der Mensch allein durch Gnade (sola gratia) und Glaube (sola
fide) vor Gott „gerecht“ wird, also rechtschaffen ist, bestimmt später
die Theologie Luthers maßgeblich. Mit seiner Ansicht stellte sich Paulus
zunächst gegen Jakobus, der
einen „Glauben ohne Werke für tot“ erachtete (vgl. Jak 2,17) wird
mittlerweile nicht mehr so gesehen. Für Paulus ergeben sich aus dem Glaube
quasi folgend Werke der Nächstenliebe und der sittlichen Tat, sodass diese so
etwas wie Ausdruck des Glaubens sind.
Glaube und Nachfolge werden zu Leitlinien des Lebens des Apostels Paulus und
bestimmen seine engagierte Missionstätigkeit. Er, dessen Anliegen die
Zerstreuung der Anhänger Jesu Christi war, wurde zu dem, der die Gemeinschaft
der an Christus Glaubenden eigentlich begründete.
Günter
Brutscher