Globalisierung – Wachstumsmotor oder Armutsfalle?

1) Definition
Globalisierung meint zumeist die weltumspannende Verflechtung des Wirtschaftslebens, die zur Herausbildung eines einzigen, den gesamten Erdball umfassenden Marktes führt. 
Anders ausgedrückt: Globalisierung – in ökonomischer Sicht – bedeutet die Zunahme internationaler Wirtschaftsbeziehungen und -verflechtungen und das Zusammenwachsen von Märkten für Güter und Dienstleistungen über die Grenzen einzelner Nationalstaaten hinaus, wobei internationale Kapitalströme und die Diffusion, d. h. die Ausbreitung  neuer Technologien eine große Rolle spielen. Dies bringt eine Intensivierung des (weltweiten) Wettbewerbs und der wirtschaftlichen Austauschbeziehungen mit sich. Auf die so entstehenden globalen Märkte haben die Nationalstaaten zunehmend weniger Einfluss. Die "Output-Märkte", also der klassische Welthandel mit fertigen Industrieprodukten wird durch eine verstärkte Integration der "Input-Märkte" und damit der grenzüberschreitenden Organisation der Produktion ergänzt.  Sprachlich schlägt sich die Globalisierung unter anderem in Formulierungen wie "global players" oder der Bezeichnung der Welt als "global village" nieder. 
So wurde der Begriff der Globalisierung (spätestens seit Beginn der 90-er Jahre des 20. Jahrhunderts) zu dem Schlüsselbegriff der Wirtschaft schlechthin. 
Mittlerweile wird vermehrt auch von einer kulturellen, religiösen, politischen, sozialen und ökologischen Globalisierung gesprochen. Das bedeutet, dass Kulturen und Religionen nicht mehr auf Regionen  begrenzt bleiben, sondern weltweit zugänglich sind und damit u. U. auch aufeinanderprallen (vgl. die Alternative: Kampf der Kulturen oder Dialog der Kulturen). Manchmal wird die katholische Kirche als einer der frühesten "global players" bezeichnet, weil diese tatsächlich weltweit "agiert". In der Umweltfrage wurde schon längst erkannt, dass Einflüsse auf diese nicht an nationalstaatlichen Grenzen Halt machen, sondern weltumspannende Auswirkungen haben (können) (vgl. Atmosphärische Zirkulation).  

2) Voraussetzungen
Möglich wurde die (ökonomische) Globalisierung dadurch, dass schon Mitte der 40er Jahre aus den negativen Erfahrungen mit nationalstaatlichem Protektionismus (Schutz der eigenen Wirtschaft durch Zölle, Einfuhrkontingente und weitere Handelsbeschränkungen) die Bestrebungen um Ermöglichung des Freihandels und marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen verstärkt wurden. Als Konsequenz daraus entstand 1947 das GATT-Abkommen (General Agreement on Tagriffs and Trade, also Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen), das ursprünglich 23 Länder unterschrieben. Deutschland kam 1950 hinzu, später ratifizierten das GATT-Abkommen 110 Staaten.  GATT wurde 1995 durch die World Trade Organisation (Welthandelsorganisation) WTO oder WHO   (Sitz in Genf, 153 Mitgliedsstaaten, Generaldirektor Pascal Lamy, Frankreich, Sonderorganisation der UNO mit der Aufgabe, den Welthandel zu fördern und zu überwachen) abgelöst. 
Einen wahren Schub erfuhr der Prozess der Globalisierung durch die rasante Verbreitung des Internets (seit 1993 gibt es das www, das world wide web; Anfang 2001 gab es in Deutschland ca. 25 Mio private und geschäftliche Internetnutzer). So wurde das, was heute als Globalisierung bezeichnet wird, letztlich nur durch die  Entwicklung in der Informations- und Kommunikationstechnologie möglich. 
Zudem wurde Mitte der 80-er Jahre der so genannte "Eiserne Vorhang" (Bezeichnung für die Absperrung Osteuropas gegenüber dem Westen nach dem II. Weltkrieg) löchrig. Mit der deutschen Einigung im Jahre 1990 (Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990) öffnete sich auch der Zugang zu weiteren früheren Ostblockländern
Die Demokratisierung dieser Staaten und Einführung marktwirtschaftlicher Grundlagen eröffneten weitere Perspektiven. Darüber hinaus ist auch Ost- und Südostasien sowie Lateinamerika in das Geflecht globaler Wirtschaftsbeziehungen einbezogen.
Hinzu kommt die fortschreitende Privatisierung ehemaliger staatseigener Unternehmen. 
Selbstredend fördern auch Fortschritte in der Verkehrstechnologie die Globalisierung. So waren Personen- und Güterverkehrsverbindungen noch nie so schnell und kostengünstig möglich wie heute. Für den Transport von Stückgütern wurde der genormte Container bedeutend.

3) Auswirkungen der ökonomischen Globalisierung
Globalisierung wurde nicht einfach beschlossen, sondern ist letztlich eine Konsequenz aus den oben geschilderten Rahmenbedingungen, die durch politische Entscheidungen, aber auch technologische Entwicklungen geprägt sind. 
Zunahme des Welthandels 
In den letzten 25 Jahren hat sich der Anteil des weltweiten Warenexports an der Weltgüterproduktion von rund 10 % auf mehr als 25 % erhöht.  Allein im Jahr 2010 stieg das Volumen des Welthandels gegenüber dem Vorjahr um 21,7 %. Insgesamt verfünffachte sich der Umfang des Welthandels seit 1989 (von ca. 3 auf mittlerweile mehr als 15 Billionen US-Dollar). Bedenkt man, dass das Wachstum des Welthandels im Jahr 2010 zweieinhalbmal so groß war wie die Zunahme der weltweiten Produktion, wird deutlich, dass die Globalisierung tatsächlich intensiviert wird. 
So werden also zunehmend mehr Güter für den Export und nicht mehr für die Deckung des inländischen Bedarfs produziert. Deutschland ist schon seit längerer Zeit ein Profiteur dieser Entwicklung. So lebt insbesondere unsere Industrie (besonders deutlich in der Autoindustrie) vom Export. Die binnenstaatliche Nachfrage nach Wirtschaftsgütern aus Deutschland könnte schon längst keine Wachstumsraten mehr ermöglichen. Deutschland mit den USA und China  und noch vor Japan und Frankreich einer der drei größten Exporteure in der Welt. Das Exportvolumen betrug 2010 1,27 Billionen $, womit Deutschland weltweit an dritter Stelle (nach China und den USA in Bezug auf das Exportvolumen) stand.  Die Zunahme des Welthandels zeigt sich nicht nur im Export von Güterproduktionen, sondern auch im Bereich gehandelter Dienstleistungen (Versicherungen, Kreditgewährung).
Internationale Firmenzusammenschlüsse 
Aktuell gibt es mehr als 65.000 multinationale Konzerne (z. Vgl. 1970 waren es 7000). Fusionen gab es 2000 v. a. im Telekommunikations- und IT-Bereich. 
Gründe für die Zunahme der Fusionen und Übernahmen sind die Liberalisierung und Globalisierung der Märkte, hoher Rationalisierungsdruck, Technologievorteile, Verbesserung des Marktwertes und der Marktchancen, aber auch Steuergesetzgebung, die Fusionen und Übernahmen erleichtert. 
In diesem Zusammenhang ist auch die Zunahme der Direktinvestitionen zu nennen. Direktinvestitionen sind Beteiligungen an Firmen im Ausland oder die Gründung solcher Firmen selbst. 
Hinzu kommt, dass Zulieferbeziehungen über Staatsgrenzen hinweg erfolgen. Diese die Staatsgrenzen überschreitenden Zuliefererbeziehungen werden als "global sourcing" bezeichnet. 
Internationale Kapitalströme 
Die Zunahme internationaler Kapitalströme betrug im Jahre 2000 40 % gegenüber dem Jahr 1998. Damit einhergehend beschleunigt sich auch das Wachstum das Volumen der Finanzmärkte. So wurden Anfang der 70-er Jahre des 20. Jahrhunderts durchschnittlich 15 Mrd US-$ am Tag gehandelt. Mittlerweile sind dies bereits mehr als 4 Billionen US-$ täglich. Nur ein geringer Teil des transferierten Kapitals wird zur Bezahlung der internationalen Warenströme verwandt, mit dem restlichen gehandelten Geld wird kurzfristig spekuliert. Kritiker bezeichnen diesen Vorgang als "Kasino-Kapitalismus". 
Internationaler Arbeitskräftemarkt 
Die Globalisierung bedeutet auch, dass Arbeitskräfte quasi global angeworben werden und somit Produktionsstätten schon längst nicht mehr an die jeweiligen Firmenstandorte gebunden sind. Gerade im Bereich der Dienstleistungen ermöglicht das Internet weitreichende Veränderungen (Schreibarbeiten, Büroarbeiten können quasi von jedem Ort der Welt ausgeführt werden). Die Öffnung der Grenzen gilt nicht nur für Kapital, Waren und Dienstleistungen, sondern eben auch für Arbeitskräfte. Produktionen werden oft aufgeteilt in verschiedene Schritte und dann auch an verschiedenen Standorten ausgeführt. Damit einher geht selbstverständlich ein immens steigendes Transport- und somit Verkehrsaufkommen. Die Verlagerung von Produktionsstätten hat dabei fast ausschließlich Kostengründe (vgl. dazu: eine Arbeitsstunde in Deutschland kostete 2006 ca. 32 €, in Bulgarien ca. 1,53 €, in Polen ca. 5,16 € usw.).

4) Chancen und Gefahren der Globalisierung
Die Globalisierungskritiker nehmen zu. Heftige Proteste wie zuletzt in Italien oder in New York und die Veranstaltung von Gegengipfeln zu den Globalisierungskonferenzen  sind hierfür ein markantes Zeichen. Globalisierung bringt eben nicht nur Vorteile und Chancen, sondern auch Nachteile und Gefahren mit sich. Letztlich reversibel, also umkehrbar, ist der Prozess allerdings nicht. Es kann nur darum gehen, die Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Globalisierung vollzieht, verträglich zu gestalten. 
Chancen
>
 Wenn Unternehmen im Ausland investieren, haben sie Märkte im Blick. Als exportorientierte Wirtschaft ist Deutschland auf die Erschließung neuer Märkte und die Präsenz vor Ort angewiesen. So wird z. B. China als Wachstumsmarkt gesehen, der gar nicht über Produktion in den klassischen Industrieländern gedeckt werden kann, sondern nur durch zusätzliche Vor-Ort-Präsenz. 
> Deutschland hat zwar hohe Lohnkosten (vgl. oben), liegt aber bei der Produktivität in der Spitzengruppe. Dies ist durch Hightech-Produktion möglich. 
> Wirtschaftsstandorte werden nicht nur nach Kostenüberlegungen beurteilt. Kundennähe, Ausbildungsstandards, Vernetzung mit Zulieferern, Nähe zu Forschungseinrichtungen und zu kulturellen Zentren spielen ebenso eine Rolle (sogenannte "weiche" Standortfaktoren).
> Freier Handel und Kapitalverkehr nützen nachgewiesenermaßen reichen Nationen und deren Wirtschaft. 
> Globalisierung bedeutet im Idealfall, dass die Unterschiede zwischen den reichen und armen Ländern abgebaut werden, dass also nicht nur die 600 Millionen Menschen in den Industrieländern, sondern auch die übrigen fünf Milliarden Menschen etwas vom Wohlstand zu bekommen. 
Gefahren
>
 Gnadenloser Kampf ums Kapital, um günstige Produktionskosten, Steuersysteme, Arbeitsplätze usw. 
> Globalisierte Wirtschaft steht gegen nationalstaatliche Interessen und Abgrenzungen. 
> Globalisierung fordert auf die Dauer Harmonisierung, Vereinheitlichung von Rechts- und Steuersystemen, um überall auf der Welt vergleichbare Bedingungen zu schaffen. 
Um Arbeit billiger zu machen, werden in Deutschland derzeit heftige Diskussionen geführt, wie der Sozialstaat weiter finanziert werden kann. Deutschland gilt als Hochlohnland gegenüber vielen Billiglohnländern, in die die Unternehmen ihre Produktion verlagern. 
> Die Anforderungen an Mobilität und Flexibilität steigen. Gewohnte Lebensbedingungen müssen zunehmend aufgegeben werden. 
Die Konzentration des Kapitals auf weniger Organisationen und Unternehmen wird zunehmen. Die 20 größten Unternehmen der Welt setzen schon jetzt mehr um als die 80 ärmsten Länder der Erde insgesamt erwirtschaften. 
> Durch Präsenz in mehreren Ländern der Erde können die Steuerleistungen je nach Vorteil für die Unternehmen unterschiedlich zugeordnet werden. Dadurch haben Staaten mit hohen Steuerlasten das Nachsehen. 
> Globalisierungsgegner befürchten, dass die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinandergeht. Sie bezeichnen die Globalisierung als "Neo-Kolonialismus", d. h. dass sie eine erneute Ausbeutung der armen Länder befürchten. 
> Fragen wie "Wandert die Wirtschaft aus?, Welche Löhne können in Deutschland noch bezahlt werden? Tappt Deutschland in die "Globalisierungsfalle"? usw. beunruhigen die Menschen. 
> Die ökologischen Auswirkungen der Globalisierung sind insbesondere durch das massiv ansteigende Transportaufkommen immens. 
> Der "Turbo-Kapitalismus", wie im Zusammenhang mit der Globalisierung häufig argumentiert wird, könnte letztlich sogar die demokratische Stabilität und den funktionsfähigen Staat bedrohen, weil eben global players Staaten und somit Standorte auf einem "freien globalen Markt" gegeneinander ausspielen können (Produktionskosten, Steuern, Investitionszuschüsse usw.). 
Die Frage, ob die Globalisierung Wachstumsfaktor oder gar Wachstumsmotor oder Armutsfalle ist, ist noch lange nicht entschieden. Neben der offensichtlichen Absicht der Gewinnmaximierung muss, so wird vielfach gefordert, zukünftig die Demokratisierung der Weltwirtschaft stehen.

5) Global Governance (Weltordnungspolitik) als Regulationsorgan der Globalisierung?
Die Idee von ‚Global Governance ist es, die Globalisierung zu regulieren und zu organisieren, ohne dass hierfür eigens eine „Weltregierung“ geschaffen werden müsste. Dabei geht es darum, politische Ziele wie die Vereinbarung einer Welthandelsordnung, Weltumweltordnung, eine internationale Wettbewerbs- und Finanzordnung zu schaffen. Zudem steht eine Weltsozial- und Weltfriedensordnung auf dem ehrgeizigen Plan des Global-Governance-Systems. Diese Ziele sollen im Konsens und in der Zusammenarbeit von Staaten, internationalen Organisationen, der Wirtschaft, aber auch mit Nichtregierungsorgansiationen erreicht werden. Grundlagen hierfür sind, dass alle Menschen und Länder, also auch Nationalstaaten Interesse an der Lösung der grenzüberschreitenden und damit globalen Problem haben müssten. Voraussetzung ist die Verständigung auf kulturelle Grundwerte, wie die Achtung der Menschenwürde, die Bewahrung und Akzeptanz der kulturellen Vielfalt, die Verständigung auf einen interkulturellen Dialog und die Einigung auf ein alle Völker und Staaten umfassendes Weltethos. Dabei soll Demokratie gelten, Subsidiarität beachtet werden und Rechtsstaatlichkeit Verbindlichkeit herstellen.
Wenngleich die Probleme sehr rasch erkannt werden können (Eigeninteresse, Aufholen dessen, was in Industrieländern längst Standard ist und damit auch höhere Energienachfrage mit entsprechender Ausbeutung der Natur, fehlende Verbindlichkeit, weil nicht einklagbar usw., Aufgabe der „Hegemonialstellung“ großer Staaten wie USA, Europa, Russland  ....), wird die Menschheit nicht umhin können, sich auf diesen Weg des Global Governance zu machen. Ansätze des Global Governance zeigen sich schon in Klimaschutzabkommen oder auch bei Organisation wie der UNO oder der WHO.

Quellen:
-   Aktuell 2002, Harenberg Lexikon Verlag, Dortmund, 2001 
-   Dr. Mario von Baratta (Hg.), Der Fischer Weltalmanach 2002, Frankfurt a. M., 2001 - - -   Mensch und Politik, Gemeinschaftskunde für Gymnasien, Klasse 11, Schroedel Verlag,Hannover 1999 
-   Heiner Hoffmeister (Hg.), Politik im Wandel 11, Verlag F. Schöningh, 1999  
-   Artikel "Globalisierung als Phänomen der Weltwirtschaft" in: 
http://www.weltalmanach.de/stichwort/stichwort_globalisierung.html (14. Juli 2003)
-   Grundwissen Politik, Sekundarstufe II, erarbeitet von Peter Jöckel, Berlin 2008, Seite 208f

Aktualisiert: Dezember 2011