Menschsein ist angewiesen auf Gemeinschaft und Institution
Der Mensch ist immer Individuum
und Gemeinschaftswesen. Leben ohne Gemeinschaft und Abhängigkeiten (von der
Natur, von anderen Menschen, etwa Bezugspersonen wie Eltern, Freunden,
Lehrern, Lebenspartnern) ist nicht vorstellbar. So wird auch in der
Psychologie (etwa in der Individualpsychologie Alfred Adlers
[1]
) die Bindung an die Gemeinschaft als wesentliches Element und
Antrieb menschlichen Handelns verstanden. Nur Gemeinschaft ermöglicht
Spracherwerb, kann Kultur, Traditionen und Religion vermitteln. Solche
Gemeinschaft wird immer auch in Institutionen verwirklicht. Gemeinschaft ist
geradezu angewiesen auf institutionelle Strukturen. Institutionen sind dabei
alle dauerhaften menschlichen Beziehungen, die bestimmten Mustern folgen und
eine beständige Form besitzen. In Institutionen sind bestimmte
Verhaltensweisen klar geregelt und organisiert. Der Einzelne übernimmt
zugewiesene Rollen und Aufgaben. Häufig sind in Institutionen auch
verbindliche Regelwerke (bis hin zu Gesetzen) mit entsprechenden
Sanktionsmustern (etwa Bestrafungen bei Nichteinhaltung der Regeln)
feststellbar. „Leben verlang nach Ordnung“, so eine Lebensweisheit, die
deutlich macht, dass Gemeinschaft ein gewisses Maß an Stabilität, Form und
Klarheit mit entsprechender Verbindlichkeit verlangt.
Institutionen ermöglichen,
dass immer wiederkehrende Aufgaben geordnet gelöst werden können, ohne dass
ständig Entscheidungssituationen provoziert werden. Institutionen und deren
Regelwerk ersetzen so die den Menschen weithin fehlenden
Instinktreaktionsmuster, wie sie etwa im Tierreich anzutreffen sind. So
entlasten Institutionen das Individuum von ständigen Einzelentscheidungen und
der Notwendigkeit, das Leben nur individuell zu erschließen
(Entlastungsfunktion). Zudem bewahren Institutionen davor, dass der Mensch als
„ungeformtes Wesen“ seiner Formlosigkeit, seiner „Triebhaftigkeit“
oder auch Trägheit verfällt.
Die Bildung von Institutionen ist so ein Vorgang, den Menschen ständig
schaffen. Handlungen werden durch Wiederholungen zu Gewohnheit
(Habitualisierung) und erreichen so Verbindlichkeit. Verlässliche
Verhaltensmuster und klare Rollenzuweisungen in Institutionen bieten
Sicherheit und schaffen Vertrauen. Letztlich sollen so Institutionen beim
Menschen Energien freisetzen, um Kreativität und Innovation entwickeln zu
können.
„Für den Fortbestand einer
Institution kann die Verkrustung des Werte- und Normensystems dann eine
Bedrohung darstellen, wenn die Mitgliedschaft freiwillig ist und Sanktionen
unwirksam sind“.
[2]
Zudem neigen Institutionen dazu, zu unreflektierter Routine zu werden und somit
an Faszination zu verlieren. Institutionen dürfen also nicht die Freiheit und
Individualität eingrenzen, sondern müssen diese ermöglichen. Dann erst
erfüllen sie ihre Funktion. Institutionen, die freie Initiative des
Individuums ersticken, können zu totalitären Herrschaftsformen führen, wenn
sie sich verselbständigen.
In der Sprache der Soziologie ausgedrückt, gilt es die Balance zwischen
Individualismus und Kollektivismus zu finden.
Phasen
der Insitutionalisierung der Kirche (in Anlehnung an Max Webers Phasen der
Institutionalisierung religiöser Bewegungen)
[3]
Der Soziologe Max Weber
unterscheidet beim Prozess der Institutionalisierung einer Religion mehrere
Stadien, die man auch bei der Entwicklung von der eher losen Gemeinschaft der
zwölf Apostel hin zu festgefügten hierarchisch geprägten Institution Kirche
feststellen kann. Ausgangspunkt des Christentums waren die religiösen
Erfahrungen Jesu und seiner Jünger. Die charismatische Ausstrahlung Jesus
und seine Botschaft verliehen ihm in der Gruppe eine sozusagen natürliche
Autorität. Es bedurfte keiner weiteren bürokratischen Formalia, um die
Gruppe zu leiten. Vielmehr scheint eine eher institutionenfeindliche Haltung
im Reden und Handeln Jesu durch. Nach Jesu Tod mussten die frühen Christen
gewährleisten, dass das Verlassen der charismatischen Anfangsbegeisterung
durch die Entwicklung bleibender Formen aufgefangen wurde. Es sollte aber
weiterhin die ursprüngliche religiöse Erfahrung durchscheinen. Nach der
mündlichen Überlieferung (Erinnerungs- und Erzählgemeinschaft) wurde Jesu
Botschaft vom Reich Gottes schriftlich fixiert (Entstehung des Neuen
Testaments, v. a. Evangelien und paulinische Briefe), was eine rasche
räumliche Ausbreitung dieser Botschaft ermöglichte.
Auf der organisatorischen Ebene vollzog sich allmählich eine
Umwandlung von charismatischer Autorität zu einem Amtscharisma. Die
charismatische Autorität war wohl noch den Aposteln als Zeitzeugen Jesu
zugesprochen. Mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Leben Jesu ging diese
allerdings verloren. Die Funktion der Belehrung und Weitergabe der Botschaft
wurde einer sich bildenden Klasse von Spezialisten anvertraut. Mit dem Wachsen
der Gruppe und deren Interessen ging eine fortlaufende Ausdifferenzierung
der Ämterstruktur einher: Die Entwicklung vom Amt des Gemeindevorstehers
bis hin zur Dreistufigkeit des kirchlichen Amtes in Diakone, Presbyter
(Priester) und Bischöfe, wie sie heute noch gilt. Als erstes wurde dabei wohl
das Amt des Diakons quasi offiziell eingeführt (vgl. Apg 6). Neben der
Ausbildung der Ämterstruktur, die den Fortbestand der Überlieferung von der
Botschaft und die Vergegenwärtigung Jesu Christi zur Aufgabe hat und hatte,
erfolgten noch andere Entwicklungen im Hinblick auf die Institutionalisierung
der Kirche.
So erfolgte in der Auseinandersetzung mit einer Vielfalt unterschiedlicher
Vorstellungen über das Wesen Jesu und die durch ihn gewirkte Erlösung die Kanonisierung
der Heiligen Schrift (also die verbindliche Festlegung der Schriften, die
zum Neuen Testament wurden) und die Dogmatisierung der Glaubenslehre in
Konzilien. Das Lehramt hatte die Aufgabe, die Authentizität der Botschaft
Jesu zu sichern und sie vor Verfälschungen zu schützen (vgl. dazu die
notwendigen Abgrenzungen vom Judentum und von sogenannten „Häresien“,
also Irrlehren).
Schließlich erfolgte die Herausbildung eines gemeinsamen Kultes, durch
den sich die religiöse Gruppe derer, die an Christus glaubten, immer wieder
die religiöse Anfangserfahrung in Erinnerung rufen wollten (vgl.
vergegenwärtigende Erinnerung). In der zweitausendjährigen Geschichte der
Institution Kirche entwickelte sich gerade auf diesem Feld ein komplexes
kultisches Szenario, das die Menschen von der Taufe bis zum Tod begleitete
(vgl. Sakramente als wirksame Zeichen der Nähe Gottes, gerade in Krisenzeiten
des Lebens), das individuelle Leben in einen sinnvollen Kontext stellte und
Leid und Tod erklärbar machte.
Das Stadium einer religiösen Institution ist erreicht, wenn die Gruppe
ihr eigenes Regelwerk entwickelt: Es kommt zur Neubildung von Ämtern und
Strukturen, mit der eine wachsende Bürokratisierung einhergeht. Lehrmeinungen
werden in festen Dogmen formuliert und der spontane Ausdruck der religiösen
Erfahrung ist, so Max Weber, einer ritualisierten Liturgie gewichen.
Die Herausforderung für die Kirche wird zusehends größer. Es gilt die
Spannung zwischen Spontaneität des Glaubensausdrucks und des Charismas
Einzelner mit der Notwendigkeit einer Struktur und Institution, die Weitergabe
und Beständigkeit ermöglicht, zu verbinden. Immer wieder sind Tendenzen in
der Kirche zu sehen, die eine einseitige Betonung der Institution (etwa durch
Festigung von Regelungen, vgl. den Begriff der „abusi liturgici“) oder der
spontanen Religiosität bedeuten. Oftmals wird diese Spannung als die Spannung
zwischen „Amt und Charisma“ bezeichnet. Dennoch: Obwohl die Kirche z. T.
sehr starre institutionelle Festlegungen hat, hat sie in ihrer Geschichte
immer wieder erkannt, dass neue Entwicklungen einbezogen werden müssen und
können. So
versteht sich die Kirche auch als „ecclesia semper reformanda“, also eine
sich ständig erneuernde Kirche.
Auf die zunehmende Distanzierung vieler Gläubigen zur Institution Kirche (die
zumeist mit dem Begriff der „Amtskirche“ bezeichnet wird), ist an anderer
Stelle bereits hingewiesen worden. Menschen streben zusehends nach
Individualität, was nicht immer Egoismus bedeutet. Sie emanzipieren sich von
starren Festlegungen und Rollenmustern und wollen ihr Leben selbst entwerfen.
Diesem Trend muss auch die Kirche gerecht werden. Festlegungen auf
traditionelle Verhaltensmuster können längst nicht mehr durch kirchliche
Sanktionierungsandrohungen (mit der „Höchststrafe“ der Exkommunikation,
also dem Ausschluss vom Empfang der Sakramente) durchgesetzt werden. Die
Kirche muss zusehends für ihre Überzeugungen werben und die Menschen
gewinnen. Nicht selten wird eben gerade das Papsttum, das mit dem
Unfehlbarkeitsanspruch und dem Jurisdiktionsprimatsanspruch (oberste
Rechtssprechung und Lehrautorität) ausgestattet ist, als hinderlich in Bezug
auf eine Identifikation mit der Kirche angesehen. Dennoch ist gerade das
Papsttum als Zeichen der Einheit der Kirche von unschätzbarem Wert für die
Fortdauer der Überlieferung von der Botschaft Jesu.
Wie sehr die Kirche die Notwendigkeit erkannt hat, die Spannung zwischen Amt
und Charisma nicht einseitig festzulegen, kann etwa daran ersehen werden, dass
seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1963 bis 1965) die Idee des „allgemeinen
Priestertums“ wieder neu betont wurde. Dieses ist schon in der Bibel (1
Petr 2, 5-10) entwickelt worden und wurde im Konzilspapier „Lumen gentium“ wieder
neu angestoßen. Damit wird die Eigenverantwortung und das Engagement des
Einzelnen gefördert und eingefordert, um die Kirche zu einem „geistigen
Haus aus lebendigen Steinen“ aufzubauen.
Nach der Idee des „allgemeinen Priestertums“ ist allen Gläubigen
aufgetragen, priesterliche Funktion zu übernehmen. Der Priester hat in den
Religion die Aufgabe der Mittlerrolle zwischen dem Volk und der Gottheit. Er
ist für den Opferdienst zuständig, für den Lobpreis, das Gebet, die
Weitergabe des Glaubens und das Bekenntnis des Glaubens in der Öffentlichkeit
(vgl. die Grunddienste Liturgia und Martyria). Schon im Alten Testament wurde
diese Aufgabe allen Gläubigen zugesprochen (Ex 19,6) und in eben dem ersten
Petrusbrief neu entfaltet. Das ganze Volk Gottes (als Bild für die Kirche)
hat priesterliche Funktion.
Amtsverständnis der
katholischen Kirche
Neben der Idee des „allgemeinen
Priestertums“ kennt gerade die katholische Kirche allerdings auch das „besondere
Priestertum“, das in drei Stufen des Diakon, Priesters und Bischofs
entfaltet wird. Dieses besondere Priestertum bringt die Unterscheidung
zwischen Laien und Klerikern mit sich. Laien sind dabei
diejenigen, die zum Volk Gottes gehören (laios, gr. heißt das Volk),
allerdings nicht Anteil haben an dem durch Handauflegung übertragenen
besonderen Priestertum.
Der Klerus (heißt Anteil am Amt und an der Macht der Kirche) hat Anteil an
der hierarchischen Ordnung der Kirche (Hierarchie heißt eigentlich „heilige
Ordnung“). Die Dreistufung des Amtes in Diakon, Priester (Presbyter) und
Bischöfe (Episkopen) hat dabei durchaus biblische Ursprünge, wie sie etwa in
den paulinischen Briefen nachzulesen sind. Dabei waren Diakone ursprünglich
– wie auch heute noch – für den Dienst an den Notleidenden zuständig.
Die Presbyter waren wie zum Teil auch die Episkopen die Vorsteher oder Leiter
der Gemeinden und für die Liturgie und die Verkündigung des Glaubens
zuständig. Die Bischöfe verstehen sich bis heute als die Nachfolger der
Apostel, die als Gesandte und Berufene von Jesus Christus selbst
bevollmächtigt wurden, die Frohe Botschaft weiterzugeben. Durch Handauflegung
wurde anderen die Vollmacht von den Bischöfen übertragen. So beanspruchen
die Bischöfe bis heute die sogenannte „apostolische Sukzession“, d. h.
die Nachfolge der Apostel. Die Bischöfe wiederum übertragen den Priestern
Anteil an ihrer Autorität (ebenfalls durch Handauflegung). Die Anforderungen
an Presbyter und Bischöfe, wie sie in der Bibel genannt werden, entsprechen
allerdings nicht mehr in allen Punkten denen, die heute gelten (vgl. 1 Tim
4,12-16 oder 1 Tim 3,1-13 oder Tit 1, 5-9).
Das Papsttum
Eine besondere Stellung in der
Hierarchie der katholischen Kirche kommt dem Papst zu. Dieses Amt ist kein
besonderes Weiheamt. Papst wird man durch Wahl, wobei Kardinäle bis zum 80.
Lebensjahr (derzeit etwa 150) wahlberechtigt sind. Nach dem Tod eines Papstes
oder dessen Resignation (Rücktritt) wird etwa zwei Wochen später das „Konklave“
einberufen. Die Kardinäle werden quasi „eingesperrt“, ganz aus der
Öffentlichkeit herausgenommen, um den Papst mit 2/3-Mehrheit in oftmals
mehreren Wahlgängen zu wählen. Eine erfolgte Wahl wird mit weißem Rauch,
eine nicht erfolgte Wahl mit schwarzem Rauch angekündigt, wobei jeweils die
Stimmzettel mit einer chemischen Beigabe verbrannt werden, die dann die Farbe
des Rauches ausmachen. Nach erfolgter Wahl wird dieser mit den Worten „habemus
papam“ (wir haben einen Papst) der Öffentlichkeit vorgestellt.
Der Papst ist ursprünglich der Bischof von Rom. Nachdem der erste Bischof von
Rom Petrus war (dessen Gebeine unter dem Petersdom liegen) und Petrus schon zu
Zeiten Jesus eine herausragende Position eingenommen hatte, beanspruchte
spätestens seit dem 5. Jahrhundert der Bischof von Rom die Führungsposition
in der katholischen Kirche, die ihm schließlich auch zuerkannt wurde. Der
Bischof von Rom war auch nach dem Tode Petrus eine wichtige Anlaufstelle bei
der Entscheidung zentraler Streitfragen. Biblisch begründet wird die
herausragende Position des Petrus mit Joh 21, 15-19 und Mt 16, 15-18.
In der Geschichte des Papsttums (bis heute gab es 264 Päpste) gab es
Höhepunkte und tiefe Krisen. Krisen waren vornehmlich dann festzustellen,
wenn das Papsttum in politische Ränkespiele verwickelt wurde oder wenn
Päpste sich mehr als weltliche Herrscher denn geistliche Oberhäupter
verstanden. So muss eingestanden werden, dass Päpste in der langen Geschichte
der Kirche durchaus auch offensives Machtstreben entwickelt haben. Gipfel
diesen Machtstrebens waren wohl die Investiturstreitigkeiten, die im großen
Investiturstreit im 11. Jahrhundert gipfelten. Dabei ging es darum, ob der
Papst oder der König die Bischöfe einsetzen (investieren) durfte. Der
damalige Papst Gregor VII war der Auffassung, dass der König und auch der
Kaiser nur durch Vermittlung des Papstes die königliche Würde übermittelt
bekommt. Im sogenannten „Dictas Papae“ von 1075 beansprucht Papst Gregor
VII gar das Recht, Kaiser abzusetzen. In dieser Schrift wird übrigens auch
behauptet, dass „die römische Kirche sich nie geirrt hat und nach dem
Zeugnis der Schrift nie in Irrtum verfallen wird König Heinrich IV
beanspruchte dagegen das Privileg
der Laieninvestitur, dass also er Bischöfe einsetzen konnte. Es kam zum
Konflikt, bei dem König Heinrich IV auf der Synode von Worms (1076) den Papst
für abgesetzt erklärte. Dieser wiederum belegte den König mit der
Exkommunikation und der Lösung des Treueids seiner Untertanen. Dieser „Bann“
bedeutete quasi die Absetzung des Königs durch den Papst. Die Macht des
Papstes erwies sich dabei also so groß, dass der König einlenken musste. Es
drohte ihm die Absetzung durch die Fürsten und die Wahl eines Nachfolgers.
Mit dem „Gang nach Canossa“, wo sich Papst Gregor VII aufhielt, leistete
der König beim Papst Abbitte und konnte so seiner Amtsenthebung vorläufig
entgehen.
Der Investiturstreit wird im Jahre 1122 mit dem Wormser Konkordat vorläufig
beendet.
Eine deutliche Begrenzung der politischen Macht des Papstes erfolgt im Zuge
der italienischen Einigung Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Jahre 1870 geht der
Kirchenstaat verloren. Dem Papst verbleibt der Vatikan, der Lateran und die
Villa Castel Gandolfo. Fortan fühlt sich der Papst als „Gefangener im
Vatikan“ (bis 1929, als der Papst mit dem italienischen Staat ein Konkordat
schloss).
Der Begrenzung der politischen Macht begegnete der Papst mit einer Festigung
der innerkirchlichen Autorität, die im Unfehlbarkeitsdogma von 1870
gipfelte. Dieses Dogma wurde auf dem Ersten Vatikanischen Konzil im Jahre 1870
beschlossen und gestand dem Papst in Glaubens- und Sittenfragen eine
unanfechtbare Entscheidung und die Vormachtstellung (Jurisdiktionsprimat) in
der Kirche zu.
Spätestens seit Johannes XXIII (Papst von 1958 bis 1963) liegt die Betonung
der Bedeutung des Papstamtes weniger auf dessen Machtfülle und
uneingeschränkter Autorität, sondern in dessen Funktion als „Dienst an der
Einheit“ und moralische Instanz der Welt. Trotz Kritik an dem derzeitigen
Papst in Bezug auf mangelnde innerkirchliche Reformbereitschaft (Stichwort
Zölibat, Frauenpriestertum usw.) hat sich Papst Johannes Paul II
(Papst vom Oktober 1978 bis zu seinem Tode am 2. April 2005), hat sich
insbesondere im Bezug auf die Versöhnung der Völker und in Bezug
auf den interreligiösen und interkulturellen Dialog enorme Verdienste
erworben.
Bleibende Bedeutung hat das Papsttum gewiss auch darin, dass der Papst der
offizielle Sprecher und oberster Repräsentant der katholischen Kirche ist,
die Lehre und die Organisation der Kirche bewahrt und so als integrierende
Persönlichkeit im Dienst am Glauben und an der Gemeinschaft der Gläubigen
geradezu Symbolcharakter für den Fortbestand der Kirche hat. Ohne das
Papsttum wäre die katholische Kirche gewiss ärmer und würde an Bedeutung
rapide verlieren.
[1] Alfred Adler (1870 bis 1937) begründete die Individualpsychologie. Nach dieser liegt der Hauptantrieb menschlichen Handelns nicht – wie von Sigmund Freud angenommen – im Sexualtrieb, sondern in angeborenen sozialen Bedürfnissen bzw. dem Gemeinschaftsgefühl. So entstehen z. B. durch bestimmte Erfahrungen wie Hilflosigkeit, Unterlegenheit und Entmutigung in der frühen Kindheit v. a. auf Grund von Erziehungsfehlern der Eltern (z. B. Verwöhnung oder Überforderung) oder auch durch eine körperliche Benachteiligung oder Behinderung Minderwertigkeitsgefühle. Um diese zu kompensieren und das Selbstwertgefühl wieder herzustellen, kommt es zu einem gewissen Streben nach Geltung und Macht, oder es tritt ein innerer Abwehrmechanismus in Tätigkeit (nach: Schüler-Duden, Die Psychologie, Mannheim 1981, S. 155)
[2] Institut für Religionspädagogik der Erzdiözese Freiburg und Hauptabteilung Schulen des Bischöflichen Ordinariats der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Hg), Kirche. - Erläuterungen, Reihe: Religion in der Kursstufe, Tauberbischofsheim 2002, S. 3 (wird im Folgenden mit Kirche, Erläuterungen abgekürzt).
[3] Im Folgenden übernehme ich die Ausführungen aus Kirche, Erläuterungen, aaO, S. 3f