Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland [1]

Das Verhältnis zwischen der deutschen katholischen Kirche und dem Staat wird durch das immer noch gültige Reichskonkordat von 1933 und die Länderkonkordate mit Bayern (1924), Preußen (1929), Baden (1932) und Niedersachsen (1965) geregelt. Zudem sind einige für die Kirche wichtigen Regelungen im Grundgesetz aufgenommen worden. Als Anhang des Grundgesetzes sind Teile der Reichsverfassung von Weimar (1918) im Grundgesetz übernommen worden (Art 140), die viele Regelungen zum Verhältnis von Kirche und Staat enthalten.
Die Tatsache, dass die römisch-katholische Kirche im Jahre 1933 mit dem Deutschen Reich ein Konkordat (also einen bedeutenden Vertrag) geschlossen hat, wird noch heute heftig kritisiert. Dieses Konkordat hat seinerzeit Hitler wichtige außenpolitische und innenpolitische Akzeptanz verschafft, der römisch-katholischen Kirche allerdings auch den Bestand in der schwierigen Zeit des Dritten Reichs sicher gestellt.  
In jüngster Zeit ist das Verhältnis von Kirche und Staat allerdings wiederholt diskutiert worden. So etwa durch das sogenannte "Kruzifix-Urteil" aus dem Jahre 1995 und durch die Wiedervereinigung in Deutschland. In den neuen Bundesländern ist die Verankerung der Kirche im gesellschaftlichen Leben weit weniger deutlich wie in den sogenannten "alten" Bundesländern. Auch die Diskussion um den sogenannte "Kopftuch-Streit" hat das Verhältnis der Kirchen zum Staat noch einmal aufgewühlt. So gab es durchaus auch Stimmen, die nicht nur das Kopftuch für islamische Lehrerinnen, sondern auch die Ordenstracht für Ordensschwestern oder den Ordenshabit von Mönchen verbieten wollten, wenn diese schulischen Religionsunterricht erteilen. 
In Deutschland hat sich eine Kooperation selbstständiger Partner bei gleichzeitiger konstruktiver Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat ergeben. Frankreich gilt dagegen - bei einer strikten Trennung von Kirche und Staat - als ein "laizistischer" Staat. Großbritannien hat eine staatskirchliche Verfassung. Die Anglikanische Kirche, deren Oberhaupt die Königin bzw. der König ist, hat eine Vorrangstellung gegenüber anderen religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften.
In Deutschland gilt die religiöse Neutralität des Staates und ein Verbot des Staatskirchentums. Den Religionsgemeinschaften wird allerdings das frei Selbstbestimmungsrecht in ihren Angelegenheiten eingeräumt (so hat etwa die katholische Kirche eine besonderes Dienst- und Arbeitsvertragsrecht, das u. a. vorsieht, dass wiederverheiratete geschiedene Mitarbeiter in leitenden Funktionen damit rechnen müssen, ihr Amt nicht länger ausführen zu dürfen). Die Kirchen (sowie die jüdische Religionsgemeinschaft) sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts befähigt, wie natürliche Personen Träger von Rechten und Pflichten zu sein. 
Kirche und Staat betrachten sich als selbstständige, gleichberechtigte Partner. Sie haben jeweils ihren eigenen, speziellen Aufgabenbereich und darum voneinander eine „Trennung in der Wurzel“. Bei gemeinsamen Problemfeldern arbeiten sie aber zusammen. Das bedeutet:
- Die Kirche mischt sich in Tagespolitik, Staatsverwaltung und Rechtssprechung nur ein, wenn Grundlehren des christlichen Glaubens oder ethische Grundwerte gefährdet sind: „Die Kirche ist das Gewissen des Staates“. Bei Gefahren für Glauben und Moral muss die Kirche nach ihrem Selbstverständnis ein Wächteramt über den Staat ausüben, z. B. auch durch Ideologiekritik.
- Die Kirche unterstützt den Staat beim Schutz der ethischen Grundwerte sowie im sozialen und kulturellen Bereich (z. B. durch kirchliche Krankenhäuser und Schulen). So bildet sie einen Integrations- und Stabilisationsfaktor der Gesellschaft. Vielfach übernehmen kirchliche Organisationen Aufgaben in der Sozialarbeit (Beispiel Stiftung Liebenau oder St. Elisabeth-Stiftung).
- Grundsätzlich begrüßt die Kirche die politische Betätigung ihrer Mitglieder, auch in Parteien, sofern diese nicht antikirchlich eingestellt sind.
- Der Staat gewährt auf Grund der im Grundgesetz garantierten Gewissens- und Religionsfreiheit und unter Wahrung seiner weltanschaulichen Neutralität der Kirche das Recht auf ungestörte Religionsausübung.
- Der Religionsunterricht ist als "ordentliches Lehrfach" (GG Art. 7, Abs. 3) verfassungsmäßig garantiert. Kirchen haben das Recht, Trägerin von freien Schulen zu sein. 

- Der Staat unterstützt die Caritas- und Kulturarbeit der Kirche durch finanzielle Zuwendungen und Vergünstigungen auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips.
- Der Staat übt auch ein Wächteramt über die Kirche aus, ums sich zu vergewissern, das sich die kirchlichen Behörden und Mitarbeiter an die staatlichen Gesetze halten (z. B. Unterrichtsgesetz, Arbeitsgesetze usw.).
- Der Staat gewährt den Kirchen die Möglichkeit, zur Finanzierung ihrer Aufgaben Kirchensteuer zu erheben. Die Kirchensteuer beträgt derzeit 8 % des Lohn- oder Einkommenssteuerbetrags (der Betrag ist als Sonderausgabe steuerlich absetzbar) .
- Kirche und Staat arbeiten in vielfältiger Weise zusammen. So ist Religionsunterricht ordentliches Lehrfach in der Schule, theologische Fakultäten sind in staatlichen Universitäten integriert.
- Die Kirchen haben das Recht, in bestimmten Institutionen Seelsorge zu betreiben. So gibt es Gefängnisseelsorger, Militärseelsorger, Polizeiseelsorger usw. Kirchen entsenden Mitglieder in Aufsichtsgremien öffentlich--rechtlicher Einrichtungen (z. B. Rundfunkräte).
- Vertreter der Kirchen arbeiten im Kommissionen mit, in denen ethische Fragen diskutiert werden.  
- Der Sonntag und die kirchlichen Feiertage sind als Tage der Arbeitsruhe gesetzlich geschützt.

  Vgl. zu der Thematik auch die Ausführungen in „Kirche - Versuch einer Bestandsaufnahme"



[1] Die folgenden Ausführungen sind entnommen (und ergänzt) aus: Auer, Max, Religion 12/13, Vorbereitung auf das Abitur Katholische Religionslehre, Stuttgart, 3. Auflage 2000, S. 256 und aus Johannes Kaiser, Abiturtraining, Katholische Religion 2, Freising 1998, S. 104-107