Kontrolle politischer Herrschaft und politischer Entscheidungsprozess
I Gewaltenteilung und –verschränkung in der
parlamentarischen Demokratie
2) Konkretisierung im
Grundgesetz (Artikel 20)
Die Grundlagen der freiheitlichen, repräsentativen, föderalen und sozialen
Demokratie werden in Artikel 20 des Grundgesetzes festgelegt.
Absatz 1: „Die Bundesrepublik ist ein demokratischer (Staatsform) und
sozialer Bundesstaat (Föderalismus).
Absatz 2: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen
und Abstimmungen (repräsentative Demokratie) und durch besondere Organe
der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtssprechung (Gewaltenteilung)
ausgeübt.
3) Die Rolle des Kanzlers in
der Bundesrepublik Deutschland (u. a. Art 63 und 67 GG)
Aufgaben: Der Bundeskanzler (Foto Gerhard Schröder) bildet das
Bundeskabinett ( = die Regierung, bestehend aus Bundeskanzler
und Minister). Er schlägt die Minister dem Bundespräsidenten vor, der diese
dann ernennt und auf Vorschlag des Kanzlers auch entlässt. Der
Bundeskanzler ist Vorsitzender des Bundeskabinetts und leitet dessen Sitzungen.
So ist er Regierungschef in Deutschland. Er bestimmt die Richtlinien der Politik
(Richtlinienkompetenz) und trägt für diese die Verantwortung (Kanzlerprinzip).
Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen
Geschäftsbereich selbstständig und in eigener Verantwortung (Ressortprinzip).
Das Kabinett als Kollegium entscheidet über alle wichtigen und strittigen
Fragen in der Regierung bzw. unter den Ministern und alle Angelegenheiten von
allgemeinem innen- oder außenpolitischen, wirtschaftlichen, sozialen,
finanziellem oder kulturellem Interesse (Kollegialprinzip).
Im Verteidigungsfall hat der Bundeskanzler die Befehls- und Kommandogewalt über
die Streitkräfte (ansonsten der Verteidigungsminister).
Kanzlerwahl (vgl. Art. 23 GG): Vor jeder Wahl stellen vor allem
die großen Parteien Kanzlerkandidaten auf. In der Regel schlägt der
Bundespräsident den Kanzlerkandidaten, der vermutlich die Mehrheit im Bundestag
erreichen wird, zur Wahl durch den Bundestag vor. Der Kanzlerkandidat braucht im
Bundestag die absolute Mehrheit. Wird diese nicht erreicht, so kann die Wahl
innerhalb von 14 Tagen beliebig oft wiederholt werden. Kommt es in diesem
Zeitraum zu keiner Wahl mit absoluter Mehrheit wird erneut abgestimmt, wobei
dann die relative Mehrheit zur Wahl reicht. In diesem Fall kann der
Bundespräsident allerdings innerhalb von sieben Tagen den Bundestag auflösen,
wenn der den so gewählten Kanzler nicht ernennen will. (Anmerkung:
Diese Situation trat bisher in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht ein.
Schon Adenauer wurde erstmals allerdings nur mit einer – seiner –
Stimme Mehrheit zum Bundeskanzler gewählt).
Amtszeit des Bundeskanzlers: Diese endet mit dem Zusammentritt des
neuen Bundestags (spätestens nach 30 Tagen nach der Wahl) oder wenn das
Parlament dem Kanzler das Misstrauen ausspricht und ihn durch die Wahl eines
Nachfolgers mit der Mehrheit der Abgeordneten stürzt (konstruktives
Misstrauensvotum).
In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bisher zwei konstruktive Misstrauensvoten
(1972 scheiterte die CDU/CSU mit ihrem Kandidaten Rainer Barzel, der Willy
Brandt (Foto Mitte), SPD, ablösen wollte. 1982 wurde Helmut Kohl (Foto oben),
CDU, mit Stimmen der damals mitregierenden FDP, in einem konstruktiven
Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt (Foto unten) zum Kanzler gewählt.
Minister können nicht abgewählt werden (deshalb werden sie wohl häufig zum
Rücktritt aufgefordert). Ihre Amtszeit endet mit der des Bundeskanzlers. Dieser
kann – wie oben erwähnt – allerdings auch Minister entlassen.
4) Gesetzgebung und
Kontrollmöglichkeiten des Parlaments
Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland ist gekennzeichnet durch
das enge Verhältnis von Bundestag und Regierung. Durch die Gewaltenteilung, die
auf Charles de Montesquieu (1689-1755) zurückgeht, und ein Spannungsverhältnis
zwischen der Regierung und den oppositionellen Fraktionen ist eine ständige
Kontrolle der Regierung gegeben. Erschwert wird die Kontrolle lediglich dadurch,
dass die Exekutive (also die Regierung) gegenüber dem Parlament und der
Opposition deutliche Vorteile hat.
Gesetzgebung allgemein: Im Grundgesetz ist im Artikel 77 das
Gesetzgebungsverfahren festgelegt. Danach dürfen Gesetze nur vom Bundestag
beschlossen werden. Die Gesetzesinitiative, also das Einbringen von Gesetzen,
kann aber auch von der Regierung, dem Bundestag selbst oder vom Bundesrat,
wahrgenommen werden. Gesetzesinitiativen sind meist schon im Regierungsprogramm
bzw. der Koalitionsvereinbarung am Beginn einer Wahlperiode festgelegt worden.
Nach dem Eingang des Gesetzesentwurf folgen drei „Lesungen" (Beratungen)
im Bundestag.
Die erste Lesung dient zur Aussprach über das Gesetz als Ganzes und erfolgt
nach der Geschäftsordnung des Bundestags grundsätzlich im Plenum
(Vollversammlung).
Danach wird der Gesetzesentwurf zur Überarbeitung an die Ausschüsse verwiesen,
welche sehr intensiv beraten und meist zusätzlich Interessensverbände.
sogenannte Lobbyisten, und Fachleute zur Beratung hinzuziehen.
In der zweiten Lesung im Bundestagsplenum wird über jede Bestimmung beraten und
abgestimmt.
Die dritte Lesung behandelt den Gesetzesentwurf noch einmal als Ganzes.
Das weitere Verfahren richtet sich danach, ob es sich bei dem vom Bundestag
beschlossenen Gesetz um ein „Zustimmungsgesetz", welches die Zustimmung
des Bundesrats (der Länderkammer) benötigt oder um ein „Einspruchsgesetz"
handelt, bei welchem ein Einspruch des Bundesrats mit der Mehrheit des
Bundestags zurückgewiesen werden kann.
Wenn ein Zustimmungsgesetz im Bundesrat keine Mehrheit findet, wird der „Vermittlungsausschuss"
eingeschaltet, der je zur Hälfte aus Mitgliedern des Bundestags und des
Bundesrats besteht. Dieser soll dann eine für den Bundesrat zustimmungsfähige
Überarbeitung des Gesetzes vorlegen. Die Beurteilung, ob Gesetze
zustimmungspflichtig oder „Einspruchsgesetze" sind, hängt davon ab, ob
und inwieweit die Länder Konsequenzen aus den Gesetzen tragen müssen.
Das Gesetz tritt in Kraft, nachdem der Bundespräsident es unterzeichnet hat.
Kontrollmöglichkeiten des Parlaments und der Parlamentarier
Vorbemerkung: Als Parlament wird die Volksvertretung bezeichnet, die aus
einer oder zwei „Kammern" besteht. Die eine von ihnen wird vom Volk in
freier, gleicher, geheimer, allgemeiner und unmittelbarer Wahl gewählt (in
Deutschland der Bundestag), der Zugang zu der anderen ist unterschiedlich
geregelt (mittelbare oder unmittelbare Wahl, Ernennung, Erblichkeit). In den
Deutschland wird die zweite Kammer des Parlaments, der Bundesrat als Vertretung
der Länder gewählt. Das Parlament ist in Verfassungsstaaten das Hauptorgan der
Gesetzgebung. Somit muss bei den Kontrollmöglichkeiten des Parlaments auch die
Bedeutung des Bundesrats bedacht werden. Der Bundesrat hat allerdings in Bezug
auf die Regierung nur insofern Kontrollmöglichkeiten, als Gesetzesvorschläge
der Regierung zunächst in den Bundesrat gelangen, der dann zu diesen
Vorschlägen Stellung nimmt (vgl. Gesetzgebungsverfahren).
Bundestag als Kontrollinstanz: In unserer Parteiendemokratie, wie sie
sich insbesondere im Bundestag und in den Landtagen niederschlägt, in der es
Regierungs- und Oppositionsparteien gibt, hat sich die Situation entwickelt,
dass nicht mehr der Bundestag als Ganzes, sondern vornehmlich die
Oppositionsfraktionen die Regierung kontrollieren. Derzeit sind dies die CDU/CSU
und die FDP. Die beiden PDS-Abgeordneten haben keinen Fraktionsstatus und sind
deshalb in ihren Kontrollmöglichkeiten zusätzlich eingeschränkt (vgl. unten
die 5-%-Marke!).
Es gibt folgende Kontrollmöglichkeiten:
- Große Anfragen: Diese müssen von mindestens 5 % der Abgeordneten schriftlich
eingebracht werden. Große Anfragen werden nach der Antwort der Regierung vor
dem Parlament in einer Debatte aufgegriffen.
- Kleine Anfragen: Wenn mindestens 5 % der Abgeordneten schriftlich Auskunft
über ein bestimmtes Problem verlangen, müssen sie von der Regierung eine
schriftliche Antwort erhalten.
- Mündliche Anfragen: Einzelne Abgeordnete stellen in den Fragestunden des
Bundestags (in dessen Geschäftsordnung geregelt) ihre Fragen und bringen so die
Regierung in Erklärungssituationen.
- Untersuchungsausschüsse (Art. 44 GG): Auf Antrag eines Viertels der
Mitglieder des Bundestags kann ein Untersuchungsausschuss einberufen werden. Oft
wird in diesen Untersuchungsausschüssen allerdings der Wille zur
Wahrheitsfindung von parteipolitischen Interessen überlagert.
- Aktuelle Stunden: Regierung und Fraktionen legen kurzfristig ihre Standpunkte
zu aktuellen Fragestellungen dar.
- Budgetrecht (Art 110 GG): Der Bundestag beschließt den Bundeshaushalt
(Budgetrecht). Diese Haushaltsdebatte wird als Gelegenheit zur „Generalabrechnung"
mit der Regierungspolitik genutzt.- Konstruktives Misstrauensvotum (vgl. oben):
Das konstruktive Misstrauensvotum besagt, dass der Bundestag mit der Mehrheit
seiner Mitglieder einen Nachfolger für den amtierenden Bundeskanzler wählen
kann. So muss dann die bestehende Regierung zurücktreten.
- Wehrbeauftragter (Art. 45 b GG): Seit 1957 wird dieser oder diese für
fünf Jahre gewählt. Der Wehrbeauftragte kontrolliert die Bundeswehr und
prüft, ob die Grundrechte und demokratischen Grundprinzipien der Bundeswehr
eingehalten werden. Der derzeitige Wehrbeauftragte ist Dr. Willfried Penner.
- Petitionsausschuss (Art. 45 c GG): Jeder Bundesbürger kann sich mit Bitten
und Beschwerden über Fehlentscheidungen der Verwaltung an den
Petitionsausschuss des Bundestags wenden.
Anmerkung: Sowohl der Wehrbeauftragte als auch der Petitionsausschuss sind
eigentlich keine Instrumentarien zur Kontrolle der Regierung.
5) Aktualisierung: Untersuchungsausschuss „Wahlbetrug"
Der Ausschuss soll klären, was die Regierung vor der Bundestagswahl am 22.
September 2002 über Steuerausfälle und Haushaltslöcher gewusst habe. Im
Wahlkampf waren Steuer- und Abgabeerhöhungen ausgeschlossen worden.
Positionen der Parteien
CDU: Die Meinungen zum Untersuchungsausschuss sind gespalten. Die CDU
Baden-Württembergs will mit CDU-Generalsekretär Volker Kauder und
Ministerpräsident Erwin Teufel den Ausschuss zum Erfolg machen und der
Regierung nachweisen, dass sie wider besseren Wissens im Wahlkampf zusätzliche
Belastungen ausgeschlossen hat. Der Untersuchungsausschuss wird für die
Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen zum Wahlkampfthema. So soll der
hessische Ministerpräsident Roland Koch die CDU-Vorsitzende Angela Merkel
derart unter Druck gesetzt haben, dass er ihr – bei Nichtzustimmung zum
Untersuchungsausschuss – die Verantwortung für eine mögliche Wahlniederlage
in Hessen zuschreiben wollte. Auch der bayrische Ministerpräsident macht den
Ausschuss zum Politikum. Er sagt an die Adresse von Bundeskanzler Gerhard
Schröder, wenn Lügen dieses Ausmaßes schwarz auf weiß nachgewiesen würden,
dann bleibe eigentlich nur noch der Rücktritt des Kanzlers. Die
SPD lehnt den Untersuchungsausschuss ab. Mit ausschlaggebend für die Einsetzung
des Ausschusses war die Behauptung des früheren Bundestagsabgeordneten Oswald
Metzger (Foto), B’90/Die Grünen, dass die Regierung, aber auch die
Landesregierungen, schon vor dem Bundestagswahltermin über die drohende
Finanznot Bescheid wussten. Er ist allerdings auch, der der CDU/CSU vorhält,
dass sie in ihrem Wahlprogramm Versprechungen gegeben hätte, die den Bund ca.
60 Milliarden € kosten würden und somit eigentlich nicht finanzierbar seien.
Der Untersuchungsausschuss will möglichst bald
seine Arbeit beendete haben. Mittlerweile wurde aber festgelegt, dass sowohl
Bundeskanzler Gerhard Schröder als auch Finanzminister Hans Eichel erst nach
den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen am 2. Februar vor dem
Untersuchungsausschuss aussagen müssen.
6) Chancen und Grenzen einer wirksamen Regierungskontrolle /
Opposition
Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass sich das System der
Gewaltenteilung, wie es im Grundgesetz in die Verfassungsrealität umgesetzt
wurde, in den seither mehr als 53 Jahren seit der Verabschiedung des
Grundgesetzes am 23. Mai 1949 bewährt hat. Die Gewaltenteilung und damit die
gegenseitige Kontrolle funktioniert weitgehend.
Immer wieder wird allerdings diskutiert, ob die eigentlich dem Parlament (also
dem Bundestag und dem Bundesrat) zugedachte Rolle der Regierungskontrolle,
tatsächlich streng von den entsprechenden Organen wahrgenommen wird. Die
Situation, dass die Regierung eben nur mit Unterstützung einer
Regierungskoalition regieren kann, führt dazu, dass die Regierungskontrolle
eigentlich weithin der Opposition zufällt. Der Bundesrat wird – wie die
jüngsten Kontroversen gezeigt haben – ebenfalls zusehends zum
parteipolitischen Instrument. Zudem haben wir im Bundesrat die Situation, dass
die Mitglieder des Bundesrats, also Vertreter der Länderregierungen (und somit
der Exekutive in der Ländern!) im Bund an der Gesetzgebung (und damit
legislative Gewalt) mitwirken.
II Föderalismus und Zentralismus
2) Föderalismus konkret
Tatsächlich haben die Länder in Deutschland mittlerweile nur noch in der
Kulturpolitik wirklich die souveräne Zuständigkeit (auch in der Gesetzgebung,
die die Bildungs- und Kulturpolitik betrifft). Im Bereich der Verwaltung, die
der Exekutive zugerechnet wird, haben sie allerdings deutlich das Übergewicht
gegenüber dem Bund. Die bundesstaatliche
Struktur und damit einhergehend die Teilung der Macht zwischen Bund und Ländern
wird häufig auch als „vertikale Gewaltenteilung" bezeichnet. Die
horizontale Gewaltenteilung bedeutet dann die Trennung in Legislative, Exekutive
und Judikative. Die Bundesländer
koordinieren ihre Aufgabenfelder in zusätzlichen Instrumenten wie z. B. der „Ständigen
Konferenz der Kultusminister", sodass wir von einem „kooperativen
Föderalismus" sprechen können.
Diese Kooperation hat auch finanzielle Konsequenzen. Um die „Einheitlichkeit
der Lebensverhältnisse" in Deutschland zu wahren, wird der „Finanzausgleich"
zwischen ärmeren und reicheren Ländern (was durch das unterschiedliche
Steueraufkommen bedingt ist) durchgeführt. Dieser Länderfinanzausgleich muss
– nach einer Klage der „Geberländer" Baden-Württemberg, Hessen und
Bayern (auch Nordrhein-Westfalen und Hamburg sind Zahler, die anderen Länder
Empfänger von Mitteln aus dem Länderfinanzausgleich, von denen das Land Berlin
am meisten profitiert), bis zum Jahre 2005 neu geregelt werden.
Angesichts der Bildungsdiskussion im Gefolge der PISA-Studie wird derzeit eine
Überarbeitung der föderalen Struktur in der Bundesrepublik diskutiert (s. u.).
3) Aufgaben und Zusammensetzung des Bundesrates (vgl. dazu GG
Art. 50 bis 53a)
Aufgaben: „Durch den Bundesrat", so heißt es wörtlich in Art. 50
GG, „wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in
Angelegenheiten der Europäischen Union mit".
Der Bundesrat hat das Recht, Gesetzentwürfe einzubringen (Gesetzesinitiative).
Er kann sogenannten „zustimmungspflichtigen Gesetzen" (alle die die
bundesstaatliche Ordnung betreffen oder verfassungsändernd sich auswirken; in
der Realität ca. 60 Prozent der Gesetze) zustimmen oder die Zustimmung
verweigern. Gegen die übrigen Gesetze kann der Bundesrat Einspruch erheben, der
allerdings vom Bundestag überstimmt werden kann. Er stimmt auswärtigen
Verträgen und Verwaltungsvorschriften zu. Der Bundesrat wählt die Hälfte der
Richter des Bundesverfassungsgerichts und kann – wie auch der Bundestag - den
Bundespräsidenten „wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes"
mit einer 2/3-Mehrheit vor dem Bundesverfassungsgericht anklagen (vgl. Art. 61,
Abs. 1 GG).
Zusammensetzung: „Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen
der Länder, die sie bestellen und abberufen" (Art. 51 GG, Abs. 1). In den
Bundesrat gelangt man also nicht durch Wahl, sondern durch „Bestellung".
Die Bundesratsmitglieder unterliegen den Weisungen ihres Landeskabinetts (ihrer
Länderregierungen) und haben so ein „imperatives Mandat" (im Gegensatz
dazu sind die Bundestagsabgeordneten nur ihrem Gewissen verpflichtet und haben
so ein „freies Mandat").
Die Stimmenanzahl der Länder im Bundesrat hängt von der Bevölkerungszahl der
jeweiligen Länder ab. Jedes Land hat mindestens drei Stimmen. Länder mit mehr
als zwei Millionen Einwohner haben vier, mit mehr als sechs Millionen Einwohner
fünf Stimmen (nur Hessen) und mit mehr als sieben Millionen Einwohnern sechs
Stimmen (Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg). Die sechs Vertreter
Baden-Württembergs im Bundesrat sind: Ministerpräsident Erwin Teufel, der Stv.
Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Dr. Walter Döring, Innenminister
Thomas Schäuble, Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck, der Minister für
Bundesangelegenheiten Rudolf Köberle und die Kultusministerin Dr. Annette
Schavan. Die Stimmen eines Landes, so heißt es in Art 51, Abs. 3 GG, „können
nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder oder deren Vertreter
abgegeben werden".
4) Aktuelle Diskussion (etwa am Beispiel der Bildungspolitik)
Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der PISA-Studie wurden Forderungen
seitens der Bundesregierung laut, das Bildungswesen stärker als bisher in
Deutschland zu vereinheitlichen. Gegen solche Forderungen wehren sich allerdings
insbesondere die Südländer massiv, weil sie erstens auf die Souveränität der
Länder in der Bildungspolitik pochen und zweitens durch bundesweite
Vereinheitlichung eine Verschlechterung des relativ guten Abschneidens (im
internen Ländervergleich) befürchten.
Aktuell ist auch die Anregung, Bundesländer zusammen zu legen. So zuletzt von
Wirtschaftsminister Walter Döring, FDP Baden-Württemberg, weil damit auch Geld
gespart werden könne. So etwa sollten Berlin und Brandenburg zu einem
Bundesland verschmolzen werden. Ein Volksentscheid, der für die Änderung der
Grenzen eines Bundeslands oder bei Bildung eines neuen Landes im Grundgesetz
(Art. 29, Abs. 3) vorgesehen ist, lehnte dieses Ansinnen ab. Die Zusammenlegung
ist somit wenigstens vorläufig „auf Eis gelegt".
5) Föderalismus und europäische Einigung
Die Europäische Union hat ihr Aufgaben- und Funktionsspektrum im Laufe
ihrer Entwicklung ausgedehnt und erhielt so zusehends in mehr Politikbereichen
Mitverantwortung und Mitgestaltungsmöglichkeiten. Das Wirken der EU schränkt
so den Gestaltungsspielraum der Länder (Kultur, Medien, Bildung, Umwelt,
Forschung, Technologie, regionale Strukturpolitik) erheblich ein. Das geeinte
Europa muss allerdings demokratischen, sozialen, föderativen und
rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen. Durch die Bestimmungen des
Grundgesetz-Artikels zur Europäischen Union (Art. 23), der erst im Dezember
1992 aufgenommen wurde, wird die Position der Länder und damit der föderativen
Struktur in der Bundesrepublik gestärkt. So sitzen in verschiedenen EU-Gremien
auch Ländervertreter (z. B. im Ausschuss der Regionen mit 222 Vertretern aus
den Mitgliedsstaaten). Diese Vertretung soll den Ländern ermöglichen, direkt
an den Verhandlungen der EU-Gremien mitzuwirken.
6) Würdigung (d. h. Vor- und Nachteile) des Föderalismus
Der Föderalismus in Deutschland hat sich bewährt. Trotz einiger Nachteile
überwiegen die Vorteile des Systems. Als Nachteile werden u. a. genannt: hohe
Kosten, kompliziertes System, föderale Struktur gefährdet die Einheitlichkeit
der Lebensverhältnisse und kann so zu Benachteiligung bestimmter Regionen
führen, politische Entscheidungsprozesse werden schwerfällig, durch die
Vielzahl der Wahlen (bei 16 Bundesländern ist bei einer vierjährigen
Legislaturperiode durchschnittlich vier Mal im Jahr Landeswahlkampf), dem immer
auch bundespolitische Bedeutung zukommt und dadurch nicht selten politische
Entscheidungen blockiert werden, weil sie eventuell nachteilige Auswirkungen
für den Landtagswahlkampf haben könnten, die Staatstätigkeit ist
unübersichtlich, weil auf verschiedenen Ebenen politische Entscheidungen
getroffen werden. Durch die doch komplizierte Struktur ist die Gefahr einer
zunehmenden Staats- und Politikverdrossenheit zu beachten. Schließlich wird
immer wieder von Scheinföderalismus gesprochen, weil die Bundespolitik die
Landespolitik beherrscht.
Auf der Vorteilsseite stehen: Was von manchen als Nachteil gesehen wird, kann
auch als Vorteil verstanden werden: Staatliches Handeln wird für den Bürger
wenigstens in Teilen verständlicher und überschaubarer, weil es ihm „näher"
liegt. Etwa durch Landtagswahlen wird mehr politische Beteiligung ermöglicht.
Die föderale Struktur bindet die staatlichen Organe stärker an die Menschen
und die Landschaft, sodass Bedürfnisse leichter erkannt und politische
Entscheidungen diesen angepasst werden können. Der Föderalismus schafft
Wettbewerb zwischen den Bundesländern, eröffnet Möglichkeiten des begrenzten
Experiments, was Fehlentwicklungen im Gesamtstaat verhindern kann. Der
politische Wettbewerb der Parteien wird angeregt, wenn etwa eine Partei zwar im
Bund in der Opposition sitzt, in den Ländern aber durchaus auch
Regierungsverantwortung hat. Die Möglichkeit politischer Einflussnahme und
Gestaltung ist größer als im Einheitsstaat. Bund und Länder sind in ihren
jeweiligen Machtbefugnissen begrenzt, müssen aber zur Erfüllung staatlicher
Aufgaben zusammenwirken und können sich so gegenseitig beeinflussen,
kontrollieren und auch hemmen (vgl. „vertikale Gewaltenteilung" zwischen
Bund und Ländern). Zudem sind auch im wirtschaftlichen Bereich effizientere
Entwicklungen möglich. Die Unterschiede in Bezug auf die Ressourcen und die
unterschiedlichen geographischen Ausgangsbedingungen (Standortfaktoren)
verlangen eine differenzierte Wirtschaftspolitik.
III Medien als vierte Gewalt
1) Medien
2) Grundrecht der
Pressefreiheit Art. 5 GG
Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG gilt als Grundlage der Pressefreiheit.
Demnach hat jede/r das Recht, sich seine eigene Meinung zu bilden, diese frei zu
äußern und zu verbreiten. Hierbei darf niemand unter Druck gesetzt, mit Zwang
bedroht oder daran gehindert werden, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu
informieren (Informationsfreiheit). Jedoch gibt es bei der Meinungsfreiheit auch
Einschränkungen, welche sich aus den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, dem
Jugendschutz und dem Recht der persönlichen Ehre ergeben.
Die Pressefreiheit wird sehr oft als Wesenselement des freiheitlichen
Staates bezeichnet. Speziell im politischen
Bereich ist die Presse ein ständiges Verständigungs- und Kontrollorgan
zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern. Sie erfüllt damit eine
unentbehrliche Funktion für eine moderne Demokratie. Geschützt ist die gesamte
Tätigkeit der Presse (von der Beschaffung der Nachrichten bis zu ihrer
Verbreitung) soweit sie publizistischen Zielen dient.
Das Grundrecht der Pressefreiheit wirkt sich so aus, dass sich jeder Bürger am
journalistischen Leben beteiligen und irgendwelche Artikel verfassen darf,
sofern nicht irgendwelche Dinge einfach nur erfunden werden (-> Verleumdung).
Der Staat kann also den Zugang zu Presseberufen nicht reglementieren und darf
auch genauso wenig eine Sonderbesteuerung einführen.
Wichtig ist ebenfalls das Zeugnisverweigerungsrecht der Personenangehörigen.
Dies wirkt sich so aus, dass der Verfasser eines bestimmten Artikels keinerlei
Angaben zu seiner Informationsbeschaffung machen muss.
Wie auch bei der Meinungsfreiheit gilt dies alles allerdings auch nicht
bedingungslos.
Da die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG ja als Grundlage der Pressefreiheit gilt,
gibt es auch für diese die selben
verfassungsrechtlichen Einschränkungen (allgemeine Gesetze,
Jugendschutzbestimmungen, Recht der persönlichen Ehre) die in
Art. 5 Abs.2 GG festgelegt sind.
3) Auf dem Weg zur
Mediendemokratie
Mediendemokratie: Durch die Berichterstattung der Medien haben die Bürger
in nie gekanntem Maß die Möglichkeit, sich eine Meinung zu bilden und in die
politischen Geschehnisse einzugreifen. Die Medien nehmen wiederum durch Form und
Inhalt der Berichterstattung Einfluss auf die Bürger.
Die Medien erhalten einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung und sind
so eine „4. Macht", die auf vielfältige Weise die Politik kontrollieren
kann (z.B. sind Umfrageergebnisse für Politiker von großer Wichtigkeit).
Im Gegenzug werden die Medien, vor allem das Fernsehen, von den Politikern zur
Selbstdarstellung benutzt. Nicht wenige behaupten, dass wir längst in der
Mediendemokratie angekommen sind.
Das bedeutet, dass die Medien Bürger und Politiker kontrollieren/ beeinflussen/
manipulieren können. Doch wer kontrolliert die Medien?
Nachrichtenübertragung: Die einzelnen Nachrichten (etwa in Radio und
Fernsehen) dürfen höchstens 1,5 Minuten lang sein, da der
Durchschnittszuschauer oder -hörer einem längeren Bericht nicht folgen will.
Wichtige Themen werden deshalb in den Nachrichten nicht komplex behandelt,
sondern der Zuschauer erhält nur Detailinformationen, aus denen er sich kein
Gesamtbild zu einer Sache machen kann.
Es werden heutzutage vor allem in den Satellitenprogrammen unwichtige Themen so
dargestellt, als wären sie besonders wichtig, dabei haben sie oftmals nur einen
„Unterhaltungswert". Das für den Zuschauer Irreführende ist in diesem
Fall oft, dass diese Nachrichtensendungen mit dem Anschein der Wichtigkeit
seriöser Sendungen dargestellt werden.
Mit der Auswahl der Nachrichtenthemen und ihrer Anordnung in der Sendung/Zeitung
gewichtet der Sender/die Zeitungsredaktion bereits die Information.
4)Medien als vierte Gewalt
Medien werden häufig neben Exekutive, Legislative und Judikative als „vierte
Gewalt" bezeichnet. Diese Einschätzung kommt daher, dass sie die
öffentliche Meinung beeinflussen und gestalten und letztlich eine bedeutende
Überwachungsfunktion wahrnehmen.
Moderne Demokratien werden als „Mediendemokratien" bezeichnet (s. o.).
Mediendemokratie bedeutet, dass nicht nur die Politik wesentlich durch mediale
Einflüsse bestimmt wird, sondern auch Politik durch die Medien „gemacht"
wird (Medienmanagement), aber eben auch Politik und Wirtschaft durch Medien
kontrolliert werden (investigativer Journalismus, also
Enthüllungsjournalismus). Vermutlich haben Politiker vor Medien mehr Respekt
als vor den verfassungsmäßigen Kontrollorganen, die die Gewaltenteilung
vorsieht.
Deutlich wurde diese Tendenz zuletzt bei den Kanzlerduellen im Vorfeld der
Bundestagswahlen, die – nach amerikanischem Vorbild – erstmals auch in
Deutschland fernsehmedial übertragen wurden. Durch die Pressefreiheit
garantiert werden in den unterschiedlichen Medienorganen Themen unterschiedlich
dargestellt und von verschiedenen Seiten beleuchtet. Zahlreiche wirkliche
Politikskandale wurden erst durch die Medien aufgedeckt oder zumindest deren
Aufdeckung vorangetrieben. Die Macht der Medien und die Bedeutung
Informationsfreiheit wird deutlich, wenn man deren Beschränkungen in Diktaturen
betrachtet (Beispiel Volksempfänger im Dritten Reich und damit einhergehend
Verbot des Hörens von „Feindsendern").
Die Macht, die Medien inne haben, fordert allerdings auch Verantwortung. Immer
wieder werden Menschen durch Veröffentlichungen in den Medien in ihrem Ansehen
beschädigt.
Medien sind auf Konsumenten ausgerichtet und damit dem Markt unterworfen. Damit
geht einher, dass Medien zusehends mehr Sensationen (auch Nebensächlichkeiten)
in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung stellen und Programme und Inhalte
zurückstellen (vgl. Kanzlers Haare und Merkels Frisur).
5) Gefährliche Macht der Medien?
Elemente des Gefahrenpotentials, dessen sich Medien bewusst sein müssen,
wurden schon oben ausgeführt. An Beispielen soll dieses nochmals erläutert
werden.
So besteht die Gefahr, dass Medien auch sehr zielgerichtet genutzt, wenn nicht
ausgenutzt werden. Signifikant wird dies angesichts der Tatsache, dass etwa der
italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi Besitzer eines Medienimperiums
ist und offensichtlich diese Situation auch für seinen Wahlkampf nutzte.
Allein die Tatsache, dass Bedeutung mit Präsenz in den Medien einhergeht, birgt
eine problematische Situation. Medien bestimmen also nicht nur Themen, sondern
transportieren auch Bedeutsamkeit von Menschen und von Politikern. So ist
mittlerweile selbstverständlich, dass Politiker Medienberater haben, die ihnen
helfen sollen, sich ins rechte Licht zu rücken. Allgemein wird der derzeitige
Bundeskanzler als die Medien besser nutzende Persönlichkeit angesehen als
dessen jeweilige Herausforderer.
Auf das Gefahrenpotential, das Medien im sogenannten „Unterhaltungsbereich"
(Beispiel: Fernsehen, Spielfilme, Kino, Internet, PC-Spiele usw.) aufweisen,
kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Gewalt, so der Tenor aller
seitherigen Untersuchungen, wird durch die Medien (etwa Gewaltvideos oder
entsprechende Computerspiele) nicht monokausal (als einziger Grund)
hervorgerufen. Medien können allerdings latente, also grundsätzlich
vorhandene, Gewaltbereitschaft bei Menschen mit entsprechender Disposition
durchaus freisetzen und haben so gewiss auch Verantwortung für unsägliche
Gewaltausbrüche (vgl. die Diskussion um den Erfurter Amokschützen).
IV Gesetzgebungsverfahren
1) Erläuterung des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. dazu auch
Art 76 bis 82 GG)
Die Gesetzesinitiative
2) Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit
(Beurteilung, Berücksichtigung u. a. folgender Faktoren: Bedeutung der
Exekutive in der Gesetzgebung, Vermittlungsausschuss, Koalitionsabsprachen,
Fraktionsdisziplin, Rolle der Verbände)
Eine konsequente Gewaltenteilung oder –trennung lässt sich in der Realität
der politischen Abläufe nicht immer umsetzen. Die „Väter" des
Grundgesetzes waren sich wohl dessen bewusst und haben im Grundgesetz schon
Möglichkeiten vorgesehen, die wenigstens ansatzhaft eine strenge Trennung der
Gewalten überwinden.
Artikel 80 GG sieht vor, dass „durch Gesetz die Bundesregierung, ein
Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden können,
Rechtsverordnungen zu erlassen." Wenngleich Rechtsverordnungen sich im
Rahmen des jeweiligen Gesetzes bewegen müssen, können diese doch weitreichende
Konsequenzen in Bezug auf Ausgestaltung bzw. Interpretation des vorgeschalteten
Gesetzes haben und somit wenigstens eine „Teil-Legislative" bedeuten.
Nachdem auch ein Großteil der Gesetze von der Bundesregierung initiiert werden,
lässt sich die strenge Trennung zwischen Exekutive und Legislative nicht immer
halten.
Der Bundesrat wird häufig nicht als Interessensvertretung der Länder
verstanden, sondern als parteipolitisch instrumentalisiertes Organ, um von der
Opposition nicht gewünschte Gesetze zu blockieren.
Schließlich nimmt das Bundesverfassungsgericht zusehends eine Rolle ein, die
eigentlich der Legislative vorbehalten ist. Das BVG muss oftmals in seinen
Urteilen Rahmenvorgaben erlassen, die fast schon Gesetzescharakter haben (auch
hier Konflikt zwischen Judikative und Legislative).
Bedeutung der Exekutive in der Gesetzgebung
Formal gilt, dass die Legislative von der Exekutive und der Judikative
streng getrennt ist.
In der Realität ist allerdings die Bundesregierung in das
Gesetzgebungsverfahren und die inhaltliche Gestaltung der Gesetze wesentlich
eingebunden. Die Regierung hat ja auch das Recht, Gesetze einzubringen,
die dann allerdings zunächst im Bundesrat beraten werden (s. o). Der größte
Teil der Gesetze werden in Deutschland tatsächlich von der Bundesregierung
vorbereitet und dann dem Bundestag zugeleitet. Selbst wenn die Entscheidung
über das Gesetz dem Bundestag vorbehalten ist, wird schon allein durch die
Initiative wesentlich Einfluss auf die Gesetzgebung genommen. So wird allgemein
von einer Schwächung der Legislative und Stärkung der Exekutive gesprochen.
Fraktionsdisziplin
In Artikel 38 des Grundgesetzes wird festgehalten, dass die Abgeordneten „an
Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen"
sind.
Üblicherweise fallen allerdings Abstimmungen im Bundestag fraktionseinheitlich
aus, d. h. dass die Abgeordneten sich der sogenannten „Fraktionsdisziplin"
unterwerfen. Gerade bei knappen Mehrheitsverhältnissen kommt es darauf an, dass
die Abgeordneten der jeweiligen Fraktionen verlässlich abstimmen. Derzeit sind
bei insgesamt 603 Abgeordneten im Bundestag 306 Abgeordnete der SPD und B’90/Die
Grünen zugehörig (siehe Grafik). Eine einheitliche Stimmabgabe wird in der
Regel schon in den Fraktionssitzungen geregelt bzw. vorberaten. Wiederholt kommt
es auch vor, dass die Fraktionsdisziplin ausdrücklich aufgehoben wird, wenn
etwa eindeutig Gewissensentscheidungen getroffen werden (so z. B. bei der Frage
des Imports von embryonalen Stammzellen). Der in der Öffentlichkeit gängige
Begriff des Fraktionszwangs ist als rechtlich unzulässiges Druckmittel
möglichst zu vermeiden. Abgeordnete, die sich im Meinungsstreit, den es
selbstverständlich auch innerhalb der Fraktionen gibt, werden gewiss hin und
wieder auch „zähneknirschend" sich der Fraktionsdisziplin unterwerfen.
Im Grund aber hat sich in der Realität die Balance zwischen politischer
Verantwortlichkeit und „Vernunft" und eigener Gewissensentscheidung
bewährt.
3) Der lange Weg zur Gesetzgebung in der Realität der
politischen Arbeit
(Einflussfaktoren wie Interessensgruppen, Lobbyisten....,
Normenkontrollverfahren....)
Gesetzgebungsverfahren sind nie frei von Einflüssen jeweils betroffener
Interessengruppen. Diese können u. a. Behörden, Verbände, die Steuerzahler,
die Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Industrie oder auch bestimmte
Minderheiten sein, die durch das jeweilige Gesetz betroffen sind.
Einfluss auf die Gesetzgebung kann etwa durch sogenannte „Lobbyisten",
also professionelle Repräsentanten verschiedener Interessengruppen sein, die
etwa durch Verfassung von Positionspapieren oder durch direkte Gespräche oder
durch Einflussnahme auf die öffentliche Meinung auf die Gesetzgebung Einfluss
nehmen. Im Gesetzgebungsverfahren ist eigens auch die Anhörung (als „Hearing"
gar eine öffentliche Anhörung in einer aktuellen Gesetzesdebatte im Bundestag)
vorgesehen.
Im erst im Jahre 2003 wirksam gewordenen Gesetz des „Dosenpfands" wurden
u. a. Aluminiumhersteller, Getränkehersteller und der Einzelhandelsverband in
die Beratungen im Vorfeld mit eingebunden.
Selbst wenn Gesetze dann den eigentlichen Weg durchlaufen haben, sind diese
nicht immer schon wirklich Gesetz. So durchlief vor kurzem das
Zuwanderungsgesetz alle Instanzen, bis hin zur Unterzeichnung durch den
Bundespräsidenten. Eine Klage von Günther Beckstein, CSU, Innenminister von
Bayern und dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller vor dem
Bundesverfassungsgericht, brachte das Gesetz dennoch zum (vorläufigen)
Scheitern. In der entscheidenden Bundesratssitzung hatte der damalige
Bundesratspräsident und regierender Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit
die uneinheitliche Stimmabgabe des damaligen Ministerpräsidenten von
Brandenburg Manfred Stolpe, SPD, der dem Gesetzesentwurf zustimmte und seines
Stellvertreters Jörg Schönbohm, CDU, der mit „Nein" votierte, als „Ja"
gewertet. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied allerdings, dass
die Stimme nicht einheitlich abgegeben wurde (vgl. Art 78 GG) und damit das
Verfahren nicht gültig war. Das Gesetz muss nun erneut – eventuell mit
Veränderungen – das Procedere des Gesetzgebungsverfahrens durchlaufen. Die
Klage wurde in einem sogenannten „Normenkontrollverfahren" geprüft, d.
h. dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsgemäßheit des Gesetzes (in
diesem Falle des Verfahrens) feststellen musste. Das Bundesverfassungsgericht
ist auch für Verfassungsstreitfragen oder für Verfassungsbeschwerden, die
jeder Bürger einreichen kann, zuständig.
4) Europäisierung der Gesetzgebung
Mit dem Bedeutungszuwachs der Europäischen Union geht einher, das viele
Gesetz europäisch abgestimmt werden müssen. Dadurch verkompliziert sich das
Gesetzgebungsverfahren zusätzlich. Insbesondere im Bereich der Agrarwirtschaft
hat die EU schon sehr großen Einfluss gewonnen. Der Einfluss der Europäischen
Union zeigt sich auch dergestalt, dass etwa Steuern zusehends angepasst werden
sollen und dass – etwa im Bereich Umweltpolitik und Verbraucherschutz –
unterschiedlich Maßstäbe gelten. Diese bringen nicht selten auch einen
Wettbewerbsnachteil mit sich (vgl. Obstanbau).
5) Gesetzgebung in der Europäischen Union
Das Vorschlagsrecht für Gesetze liegt exklusiv bei der Europäischen
Kommission (die allerdings die Exekutive der EU darstellt). Das Europäische
Parlament hat Mitentscheidungsrecht oder arbeitet bei der Gesetzgebung mit dem
Europäischen Rat (den 15 Staats- und Regierungschefs der EU) zusammen.
Ein von der Europäischen Kommission vorgelegtes Gesetz wird in erster Lesung im
Europäischen Parlament (EP) beraten. Dessen Stellungnahme wird von der
Europäischen Kommission überarbeitet und dem Rat der Europäischen Union (=
Europäischer Ministerrat, also die Fachminister der Mitgliedsstaaten der EU)
vorgelegt. Dieser beschließt einen „Gemeinsamen Standpunkt". Hat das EP
Mitentscheidungsrecht, kann dieses in zweiter Lesung den Gemeinsamen Standpunkt
billigen, ändern oder seine Ablehnung ankündigen. Der Europäische Rat
verfährt in zweiter Lesung so, dass er entweder das Gesetz endgültig
beschließt oder die Änderungen des EP nicht billigt und in den „Vermittlungsausschuss"
verweist. Dessen Entwurf wird dann in dritter Lesung als „gemeinsamer
Entwurf" vom Europäischen Parlament und Europäischen Rat entweder
beschlossen oder – wenn ein Gremium den Vorschlag ablehnt – insgesamt
abgelehnt, wodurch der Rechtsakt gescheitert ist.
Wenn das Europäische Parlament nur zur Zusammenarbeit ermächtigt ist, kann der
Gemeinsame Standpunkt – trotz eventueller Ablehnung oder Änderung des EP –
das Gesetz beschließen.
Das Verfahren der Gesetzgebung in der EU ist also noch deutlich umfassender als
in der Bundesrepublik. Zudem sind die Gewalten nicht streng voneinander
getrennt. Das Europäische Parlament, das vom Volk gewählte Gremium mit 626
Abgeordneten, hat letztlich keine beschließende Funktion in der Gesetzgebung
und somit nicht wirklich die Legislative zu vertreten. Den größten Machtanteil
hat wohl die Europäische Kommission. Immer wieder wird deshalb von einem „Demokratiedefizit"
in der Europäischen Union gesprochen.
Quellen:
Schulbuch Politik im Wandel, Die Demokratie in der Bundesrepublik
Deutschland
Internet, Grundgesetz, Lexika
Die Zusammenstellung ist das Ergebnis von Gruppenarbeiten der Schülerinnen und
Schüler des Studienkollegs Obermarchtal (Klasse 12, Schuljahr 2002/2003) und
Ergänzungen durch den Fachlehrer
Stand: Januar 2003