Von der Westkirche zur Weltkirche oder:
Mission – zwischen Überfremdung und
Inkulturation
Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung sind Christen, ca. 18 % und damit
deutlich mehr als 1 Milliarde Menschen gehören der römisch-katholischen
Kirche an, etwa 400 Mio sind Protestanten, ca. 180 Mio Orthodoxe (zum
Vergleich: Muslime sind mit ebenfalls mehr als 1 Milliarde Menschen die
zweitgrößte Religion nach den Christen, die insgesamt ca. 2 Mrd ausmachen;
danach folgen die Hindus mit etwa 800 Mio, die Buddhisten mit etwa 350 Mio,
etwa 13,5 Mio Menschen bekennen sich zum jüdischen Glauben, ca. 1 Mrd
Menschen gelten als "Unreligiöse", als ausgesprochene Atheisten
werden etwa 240 Mio Menschen in der Statistik geführt).
Seit Theodosius (347 bis 395), der im Jahre 380 das Christentum zur
Staatsreligion erklärt hatte, stieg die Zahl der Christen ständig an. Mit
den Entdeckungen der Kontinente (insbesondere Amerikas) wurde auch das
Christentum in der neue Welt verbreitet. So entwickelte sich die ursprünglich
europäische Kirche zu einer weltweiten Kirche. Die Methoden der Ausbreitung
des Christentums (Missionierung) waren allerdings nicht immer so, wie es dem
Evangelium entsprochen hätte.
Missionsauftrag
Christliche Religion ist
per se missionarisch. Schon in Anlehnung an die drei Grundfunktion
(Grunddienste, Grundaufgaben) der Kirche und der Kirchenmitglieder, also
Martyria, Liturgia und Diakonia ist Mission (lat. „missio“, also: Sendung,
Botschaft, Auftrag) grundlegendes Element des Christseins. Die biblische
Begründung wird gemeinhin mit dem etwas ungeschickt bezeichneten Begriff des
„Missionsbefehls“ (besser wäre Missionauftrag) aus dem
Matthäus-Evangelium die Mission gefordert. Dort heißt es: „Darum geht zu
allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern: tauft sie auf den
Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles
zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: ich bin bei eich alle
Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28, 19f). Häufig wird auch ein Zitat aus
dem 1. Timotheusbrief zur Begründung der Mission genannt. Dieses Zitat steht
im Zusammenhang mit dem Aufruf zum Gebet für alle Menschen. Wörtlich heißt
es: „Das ist recht und gefällt Gott, unserem Retter; er will, dass alle
Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,
3).
Wer allerdings davon überzeugt ist, dass Jesus Christus Mitte, Ursprung und
Ziel aller Schöpfung und allen Lebens ist, sollte allerdings auch ohne eigene
Beauftragung mit missionarischem Eifer Rechenschaft von seinem Glauben und
seiner Überzeugung geben wollen.
Mission wurde im übrigen immer damit begründet, dass es geradezu ein Dienst
an den Menschen sei, wenn man ihnen das Evangelium (die Frohbotschaft)
verkünde und sie so für den Glauben an Jesus Christus gewinne.
Phasen
der Missionierung
Schon in der Urkirche
wurde Mission betrieben. Als wohl bedeutenster Mission überhaupt gilt Paulus,
der auf mehreren Missionsreisen im Gebiet des römischen Weltreichs
missionierte, Gemeinden gründete und organisierte und den Glauben an Jesus
Christus – trotz zahlreicher Widerstände und gelegentlicher Verfolgung –
verkündete. Paulus gelang es dabei, den Glauben an den Auferstandenen auch in
die Sprache und den Verstehenshorizont der „Adressaten“ zu übersetzen. So
knüpfte er immer wieder auch an die Überlieferung und die Traditionen derer
an, zu denen er sprach und denen er den Glauben verkündete. Klassisch ist
geradezu seine Rede auf dem „Areopag“ geworden, wo er an das Heiligtum der
Athener für einen „unbekannten Gott“ anknüpfte (vgl. Apg 17, 16-34). So
verwirklichte Paulus schon früh das Prinzip der „Inkulturation“, das
besagt, dass der christliche Glaube mit der jeweils fremden Kultur in
Zusammenhang gebracht werden sollte. Paulus nutzte bei seiner Mission
geschickt die einheitliche Sprache, die kulturellen Ansätze, aber auch die
gut ausgebaute Infrastruktur im römischen Weltreich. Zudem ließ er – wie
die Briefe zeigen – die Gemeinden, die er gegründet hatte, auch nach seinem
Fortgehen nicht einfach allein.
Nachdem sich die christliche Religion – trotz zahlreicher Anfeindungen, wie
den offensiven Christenverfolgungen, etwa unter Nero, Decius und Diokletian
– schließlich mit dem Mailänder Toleranzedikt durch Konstantin im Jahre
313 „durchgesetzt“ hatte und schließlich im Jahre 380 gar „Staatsreligion“
wurde, folgte die Phase der Germanenmission.
Dabei übernahmen die die
Römer besiegenden Germanen vieles aus der römischen Kultur. Der Gott der
Christen erwies sich immer wieder als der stärkere Gott und konnte so bei den
militärisch gesinnten germanischen Stämmen Anhänger finden. Eine bedeutende
Rolle in der Zeit seit dem 5. Jahrhundert übernahmen dabei zusehends die
Klöster. Sie waren Zentren der fast ausschließlich von Mönchen
organisierten Mission. Methodisch wurde vielfach darauf geachtet, die Führer
der Stämme und Völker für den christlichen Glauben zu gewinnen. Die
Untergebenen schlossen sich dann in aller Regel dem Vorbild ihrer Fürsten an.
Bekannte Gestalten dieser Phase der Missionierung waren der Heilige Patrick,
der Missionar der Iren und Bonifatius als „Apostel der Deutschen“ (erlitt
754 den Märtyrertod und wurde in Fulda begraben). Im heutigen süddeutschen
Raum waren es vor allem Mönche aus dem Benediktiner-Kloster St. Gallen, die
für die Verbreitung des Glaubens Sorge trugen.
Insgesamt als eher dunkles Kapitel der Mission muss die Bekehrung der Völker
Lateinamerikas bezeichnet werden. Oftmals wurden die Indios mit Schwertern und
Kanonen vom christlichen Glauben (wenig) „überzeugt“. Die Mission wurde
so vielfach zur unseligen Partnern von Kolonialismus und Imperialismus, also
Machtstreben europäischer Reiche, um vor allem an die Schätze der eroberten,
nicht überzeugten Gebiete zu kommen, obwohl etwa Christoph Kolumbus über
seine Fahrten schrieb: „Das hauptsächliche Ziel der Unternehmen war immer
die Mehrung des Ruhms der christlichen Religion“.
Es gilt allerdings festzuhalten, dass schon bei der Missionierung
Lateinamerikas insbesondere Jesuiten oder auch der Dominikanermöch Bartolomé
de las Casas, der später sogar als „Vater der Indios“ bezeichnet wurde,
immer wieder die Grausamkeit der Eroberer aufs schärfste veruteilten. Die
Jesuiten unternahmen gar im 17. Jahrhundert den Versuch, einen „Jesuitenstaat“
der Indios auf dem Gebiet des heutigen Paraguay zu gründen. Die Jesuiten
wollen so das „Reich Christi auf Erden“ bauen. Sie organisierten
sogenannte „Reduktionen“, zu denen Europäer keinen Zutritt hatten. In
diesen Großsiedlungen mit mehreren tausend Bewohnern wurde aller Besitz
geteilt. Das Leben wurde von Feldarbeit und Gebet und Gottesdienst bestimmt.
Die Spanier machten um das Jahr 1750 diese Versuche durch militärische
Besetzung der Reduktionen zunichte.
Im 16. Jahrhundert richtet sich die „äußere Mission“ (also die
Missionierung von sogenannten „Heiden“ im Gegensatz zur „inneren Mission“,
die die Verbreitung und Förderung des Glaubens bei schon getauften Christen
meint) auch auf den asiatischen Raum, wo vor allem Jesuitenmissionare wie
Franz Xaver (1506 – 1552) aktiv waren. Franz Xaver arbeitete bereits nach
der Methode der „Akkomodation“,
was so viel wie Anpassung bedeutet. Ihm ging es nicht um Ausrottung allen „heidnischen
Gedankenguts“, sondern darum, dass der christliche Glaube mit den
Überzeugungen der zu missionierenden Menschen in Einklang gebracht, bzw.
angepasst werden musste, was eine hohe Wertschätzung der jeweiligen Kultur
mit sich brachte.
Trotz einiger Wiederstände aus Europa wird diese Methode auch bei der
Chinamission, etwa durch Matteo Ricci (1552-1610) angewandt. Von Seiten der
Dominkaner und Franziskaner wurde diese Anpassung an die jeweilige Kultur als
„Anpassung an das Heidentum“ und damit Teufelsanbetung verworfen und
schließlich gar von päpstlicher Seite untersagt. Erst Pius XII änderte
diese Anordnung und entschied im Jahre 1939 für eine zeitgemäße Anpassung
der Missionsbemühungen an die jeweilige Kultur.
Heutige
Entwicklungen
Heute geht es nicht mehr
darum, dass Menschen, die missioniert werden, unterdrückt werden, ihrer
Kultur beraubt werden und der christliche Glaube übergestülpt wird. Vielmehr
wird nach der Vorstellung der Inkulturation der
christliche Glaube in die jeweilige Kultur übersetzt. Was nicht wider den
christlichen Glauben und die Frohbotschaft Jesu vom Reich Gottes gerichtet
ist, wird bei der Missionierung wahrgenommen. Selbstverständlich wird die
Sprache der Menschen gelernt, denen das Reich Gottes nahe gebracht werden
soll. Sie werden in ihren Lebenszusammenhängen wahrgenommen. Ämter werden
nicht mehr wie einstmals von Europäern und europäischen Missionaren
wahrgenommen, sondern von Einheimischen, die entsprechend ausgebildet werden,
besetzt.
So besteht natürlich die Situation, dass der christliche Glaube nicht in
seiner dogmatischen Unversehrtheit gelehrt wird. Synkretistische Entwicklungen
sind durchaus möglich, ja sogar fast erwünscht. Andere Kulturen und
religiöse Überzeugungen werden zunächst als Bereicherung verstanden,
wenngleich die tiefe Überzeugung von der Wahrheit des Christentums darunter
nicht leiden sollte.
Zur Verbreitung des Glaubens kommt heute mehr noch als es auch schon in
früherer Zeit der Fall war, so etwas wie Entwicklungshilfe.
Mission ist zwar die religiöse Seite der Entwicklung der Völker. Bildung,
Technologie und Hilfe zur Selbsthilfe gehören allerdings mittlerweile
selbstverständlich zu einem missionarischen Auftrag der Kirche.
Schließlich muss festgehalten werden, dass Mission mittlerweile zunehmend
eine Aufgabe wird, die in eigentlich christlich geprägten Ländern
bewerkstelligt werden muss, wo der Glaube zunehmend diffundiert, also an
Bedeutung verliert. Diese „innere Mission“ ist auch in Deutschland
erforderlich, das nicht allein der ehemalige Bischof der Diözese
Rottenburg-Stuttgart, Dr. Walter Kasper, mehrmals als „Missionsland“
bezeichnet hat.
Der Begriff der Mission wird im übrigen in diesem Zusammenhang häufig durch
den der „Evangelisierung“
ersetzt (so auch von Johannes Paul II), womit die Durchdringung des Lebens
durch die Frohbotschaft, das Evangelium gemeint ist. Dabei kommt es zunächst
darauf an, dass die Christen mit dem „Zeugnis ohne Worte“, also mit ihrem
Verhalten, auch gegenüber anderen Menschen, sich selbst und gegenüber der
Schöpfung deutlich machen, was es bedeutet Christ zu sein. Erst in einem
weiteren Schritt ist das Bekenntnis des Glaubens erforderlich und der Wille,
auch andere Menschen von der befreienden Botschaft des Evangeliums überzeugen
zu wollen.