Offenbarung, Glaubensbekenntnis, Glaube und Lebensgestaltung

Offenbarung ist Selbstmitteilung Gottes, die im Glauben angenommen wird
Der Glaube – so eine klassische christliche Überzeugung – kommt vom Hören. Die Glaubenden sind Hörende des sich selbst mitteilenden Gottes. Diese Selbstmitteilung Gottes wird in der Sprache der Theologie als Offenbarung bezeichnet.
Die Selbstmitteilung Gottes oder Offenbarung ist zunächst Geschenk Gottes. Sie kommt dem Menschen, der sich auf eine solche Offenbarung einlässt, ohne Verdienst zu. Wir kennen die Formulierung „Und das Wort des Herrn erging an....“. Gott nimmt mit den Menschen Kontakt auf. Er ist es, so die Überzeugung der an Gott Glaubenden schon im Alten Testament, der sich an die Menschen wendet. So geschehen in der Schöpfungserzählung im Garten Eden, bei Kain und Abel, später bei den Patriarchen oder Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob.
In einem sehr bekannten Rahmen kommt Gott auf Moses zu. Im „brennenden Dornbusch“ (Ex 3) beruft Gott Mose zum Führer des Volkes Israel aus der ägyptischen Knechtschaft. Gott offenbart sich, teilt sich selbst mit und sagt nicht nur wer er ist, sondern mit seinem Namen Jahwe auch was er für sein Volk ist. Jahwe bedeutet so viel wie „Der-ich-bin-da“. Auch Moses zweifelt, wehrt sich gegen die Berufung und muss erst von Jahwe überzeugt werden.
Ähnliche Berufungsgeschichten, Worte Gottes an die Menschen ziehen sich durch das ganze Alte Testament.
Das letztgültige, das endgültige Wort Gottes (der Logos in seiner mehrdimensionalen Bedeutung) und damit die endgültige Offenbarung Gottes ist schließlich Jesus Christus (vgl. den Johannesprolog: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. .... Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt...", Joh 1, 1-18). Somit wird in Jesus Christus sichtbar, hörbar, spürbar, ja geradezu existentiell erfahrbar, wer und wie Gott ist. Vielleicht kann der Begriff der Offenbarung an dieser Stelle mit dem Fremdwort „Konkretion“ ersetzt werden. In und mit Jesus Christus wird konkret, wer Gott ist und wie er seinen Bezug zu den Menschen versteht.
Jesus Christus als das personifizierte Wort Gottes, als die personifizierte Selbstmitteilung oder Offenbarung Gottes tritt selbst mit seiner Botschaft, seinem Wort an die Menschen heran. Diese Frohbotschaft, die Offenbarung Gottes, wird von den Evangelisten überliefert. Die Christen antworten auf dieses Angebot mit ihrem Glauben.
Nirgends in der Bibel wird eine nähere Definition von Gott oder gar ein Gottesbeweis gegeben. Immer sind es Gottes- und damit Glaubenserfahrungen, keine Glaubenssätze, die bezeugt werden.  Diese Glaubenserfahrungen zeigen aber weit reichende existentielle, die Menschen im Innersten betreffende, Konsequenzen.
Noch einmal: Offenbarung oder Selbstmitteilung Gottes ereignet sich für die Menschen der Bibel (und auch für uns heute) in der Schöpfung, in der Welt, die als Geschöpf Gottes betrachtet wird und in als personale Begegnungen geschilderten Situationen von unterschiedlichen Menschen. Tiefe Überzeugung der Christen ist es, dass diese Selbstmitteilung Gottes, diese Offenbarung, sich auch heute noch ereignet und jedem Menschen zuteil werden kann. Voraussetzung dafür ist allein die Offenheit für Offenbarung, die Bereitschaft, sich der Selbstmitteilung Gottes zu stellen.

Die Entwicklung von Glaubensbekenntnissen
Ein Christ ist einer oder eine, der oder die an Jesus Christus glaubt.
So einfach ist zu definieren, wer Christ ist. Dies genügte aber den Menschen (und wohl auch der Kirche) nicht. Man war schon früh bestrebt, Glaubensbekenntnisse mit konkreteren Inhalten zu formulieren. Glaubensbekenntnisse vermitteln das, was in der theologischen Fachsprache als fides quae gemeint ist.
Folgende Stufen der Herausbildung von Glaubensbekenntnissen können skizziert werden:
- Für die Juden ist der sich in der Geschichte offenbarende Gott als Gott der Befreiung (aus Ägypten), der Schöpfung, der Wegweisung (stellvertretend vielleicht in den 40 Jahren der Wüstenwanderung) und der Verheißung erfahrbar geworden.
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Für die Christen ist die Verheißung Gottes, das Heil der Welt, in Jesus Christus, dem Sohn Gottes, Wirklichkeit geworden.
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Zunächst war das Glaubensbekenntnis ein Bekenntnis zu Jesus Christus, dessen Person, dessen Schicksal. Dieses Bekenntnis wurde narrativ (=erzählend) mit dem Erzählen seiner Worte und Taten weiter gegeben.
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Erste Bekenntnisformeln wurden in der Liturgie, in der Feier des Gedächtnisses Jesu Christi, verwendet. Knappe Bekenntnisformulierungen dienten der Identitätsbildung und Abgrenzung, aber auch der Glaubensunterweisung (Katechese). Ein soch knappes Glaubensbekenntnis ist  z. B. der Philipper-Hymnus (Phil 2,6-11). Mit diesen Bekenntnissen gaben die an Jesus Christus Glaubenden Rechenschaft von ihrem Glauben ab und „konkretisierten“ diese Überzeugung.
- Schließlich führten die verschiedenen Formulierungen bei den ersten Konzilen zu den heute noch bekannten Glaubensbekenntnissen wie dem Apostolicum oder apostolisches Glaubensbekenntnis und dem großen Glaubensbekenntnis oder auch Nizäno-Konstantinopoitanum genannt (aus dem 4. Jahrhundert). Eine andere Bezeichnung für Glaubensbekenntnis ist übrigens der Begriff „Credo“, der nichts anderes bedeutet als „Ich glaube...“.

Konsequenzen des Glaubens für die Lebensgestaltung
Glaube ist nach biblischem und christlichem Verständnis zunächst eine Grundhaltung im Leben. Menschen, die glauben, vertrauen darauf, dass Gott sie nicht alleine lässt. Diese Grundhaltung des Menschen, überhaupt zu glauben, wird in der theologischen Sprache als fides qua im Unterschied zu dem oben genannten fides quae, das sich auf die Glaubensinhalte bezieht, bezeichnet.
Mit dem Glauben lässt sich die Begrenztheit und Endlichkeit der Welt „transzendieren“, also übersteigen und so letztlich ertragen.
- Der Glaube an die Welt als Gottes Schöpfung hat Ehrfurcht vor der Schöpfung zur Folge (zumindest sollte dies so sein). Menschen, die an Gott als den Schöpfer glauben spüren Verantwortung für die Welt und das Leben, die sie als Geschenk Gottes erfahren. Sie werden so ihrem Auftrag als „Bebauer und Hüter“ der Welt (vgl. Gen 2,15) gerecht.
- Der Glaube lässt den Menschen in seiner Würde und die Mitmenschen als Schwestern und Brüder sehen. Die „Gottebenbildlichkeit des Menschen“ (vgl. Gen 1,27) entzieht den Menschen der Verfügbarkeit durch Menschen. Nur diese letztlich „un-bedingte“ Würde ist Grund dafür, dass der Mensch sich nicht einfach den Gesetzen der Natur, bzw. der Evolution, also etwa dem Gesetz, das die Stärkeren überleben, unterwirft, sondern Empathie, menschliche Wärme, Solidarität auch mit den Schwachen, entwickelt.
- Der Glaube an die Wirklichkeit der personalen Beziehung zu Gott, zum göttlichen Du, ermöglicht letztlich Freiheit von den Zwängen der Welt. Die Erfahrung, von Gott angenommen zu sein, befreit von Knechtschaft und ermöglicht so Gemeinschaft und Verantwortung.
- Glaube eröffnet Sinn. Die Erfahrung, dass es „Grenzen des Machbaren“, dass es persönliche Grenzen (Kontingenzerfahrung) gibt, hemmt den glaubenden Menschen nicht in seinem Beitrag zur Welt- und Lebensgestaltung, sondern ermutigt ihn aus der Ich-Befangenheit, die zugleich ständig als begrenzt erfahren wird, sich hin zu seiner Verantwortung für die Gestaltung der Welt zu entwickeln. So jedenfalls sollte es sein...