Die Quintessenz aus der Schöpfungsgeschichte (Überblick)

Mittlerweile steht die Theologie wie die Geisteswissenschaften insgesamt nicht mehr in Konkurrenz zu den Naturwissenschaften. Vielmehr gilt es, mit anderen Wissenschaften, wie etwa der Naturwissenschaft, in Dialog zu treten. Die Theologie bringt das biblisch-christliche Verständnis von Welt und Mensch ein, um damit auch eine ethische Einordnung der Forschung und Technologie zu ermöglichen. Von der Konkurrenz unterschiedlicher Ansätze der Wissenschaftlichkeit über die Situation, dass die Wissenschaften nebeneinander her existierten, ist mittlerweile der Impuls zum Dialog der Wissenschaften gewachsen.
Dies soll am Beispiel der „Komplementarität (Auf-einander-Verwiesensein) von Wissen und Glauben am Beispiel von Evolutionslehre und Schöpfungsglaube dargestellt werden.
Die Evolution als „Entwicklung der Wirklichkeit von Energie zu Materie (bio-chemische Evolution), von Materie zu Leben (bio-chemische Evolution) und schließlich die phylogenetische (stammesgeschichtliche) Entwicklung der Lebewesen von einfachen zu hoch entwickelten Formen (biologische Evolutionstheorie)“ [1] geht auf die Entwicklung der Lebensformen unter dem Aspekt der Kausalität und dem zeitlichen und räumlichen Nacheinander ein. Die biologische Evolutionslehre beschäftigt sich also mit dem „Wie“ der Evolution. Die Frage nach dem Sinn, nach dem „Warum“ und danach „warum überhaupt Etwas ist und nicht Nichts“ interessiert die empirisch arbeitende Biologie nicht. Deutlich wird dieser Ansatz etwa mit der Evolutionslehre von Charles Darwin, die er im 19. Jahrhundert durch empirische Feststellungen entwickelte. Nach dieser Evolutionslehre herrscht in der Natur das Gesetz, dass der Stärkere sich in einem Ausleseverfahren (Selektion) durchsetzt (survival of the fittest) und überlebt. Neben der Selektion gilt die Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Lebensbedingungen als weiteres Grundelement der Evolutionslehre.
Der Begriff „Schöpfung“ ist dagegen ein theologischer Begriff und möchte die existentielle Frage nach dem Grund aller Wirklichkeit beantworten.  Es geht nicht darum, den Vorgang der Entstehung der Welt zu beschreiben. Die Schöpfungsberichte wollen die Frage nach dem  „Woher“ und „Wohin“  des Daseins erklären und somit dessen Sinn in den Blick nehmen.
Die Antwort auf diese Frage lautet: Gott hat die Welt aus freier Entscheidung aus dem Nichts erschaffen (=“Creatio ex nihilo“). Die Schöpfung ist auf Gott hingeordnet und hat in Gott ihren letzten Grund und damit Sinn. Und: Die Schöpfung, wie sie Gott vollbracht hat, ist „gut“, ja sogar „sehr gut“.
Bis auch die Kirche sich darauf einlassen konnte, dass der Schöpfungsbericht nicht die naturwissenschaftliche Erklärung der Entstehung der Welt darstellen möchte, hat es allerdings einige Zeit gedauert. Richtig ist, dass noch zu Zeiten Galileo Galileis (17. Jahrhundert) von Seiten der Kirche der Exklusivitätsanspruch auch auf naturwissenschaftliche Fragestellungen erhoben wurde. Umgekehrt haben die Naturwissenschaften damit, dass sie den biblischen Schöpfungsberichten die (Natur-)Wissenschaftlichkeit abgesprochen haben, auch deren legitimes Anliegen, den Sinn der Schöpfung, zu erläutern, abgelehnt. Noch heute wird vereinzelt von Seiten der Naturwissenschaften der Schöpfungsbericht als „Mystik“ abgetan. Umgekehrt gibt es aber auch noch heute (etwa in den USA) Bestrebungen, die Schöpfungsberichte noch immer als Erklärung für die Entstehung der Welt und des Lebens zu lehren. Dieses Ansinnen wird von den sogenannten „Kreationisten“ vertreten, die insbesondere in den USA eine beträchtliche Anhängerschar aufweisen.
Sobald die Schöpfungsberichte als naturwissenschaftliche Erklärungsversuche missverstanden werden und die Evolutionstheorie bzw. die naturwissenschaftliche Erklärung der Entstehung des Kosmos durch den Urknall gegen die Schöpfungsberichte ins Feld geführt werden, ereignet sich jeweils eine „Grenzüberschreitung“. Der Gegenstand und die Fragestellung von Schöpfungsberichten und naturwissenschaftlichen Erklärungsmustern ist nicht miteinander vergleichbar.
Vielleicht hilft ein Vergleich mittels eines Kunstwerks weiter. Die Faszination für die „Mona Lisa“ Leonardo da Vincis mit den Überlegungen, was die Faszination des Lächelns der Mona Lisa ausmacht, lässt sich nicht mit der Analyse der Technik (Ölmalerei) und einer Vermessung der Gesichtszüge erklären.

In den beiden biblischen Schöpfungsberichten (dem der sogenannten "Priesterschrift" Gen 1,1 - 2,4a und dem jahwistischen Schöpfungsbericht 2,4b - 3,24) geht es zunächst darum, dass Gott als der geradezu existentielle Grund der Wirklichkeit von Kosmos und Natur vorgestellt wird. Gott schafft die Erde und strukturiert das "Lebenshaus Erde" aus dem Chaos. Dabei bleibt die Schöpfung gestaltungsoffen, dynamisch, sie ist - trotz der Endlichkeit - letztlich auf Heil angelegt. Gott macht am Ende alles neu (creatio nova). Die Schöpfung der Erde wird dabei nicht als einmalige und abgeschlossene Angelegenheit betrachtet. Vielmehr zeigt die Natur selbst schöpferisches Potential, wobei sich der Mensch in besonderer Weise einbringt. Die Schöpfung ist somit Natur, in der das Wirken Gottes präsent und transparent wird (so zumindest nach der Vorstellung derer, die an Gott glauben). Diese Überzeugung wird mit dem Begriff der "creatio continua", der fortdauernden Schöpfung bezeichnet. Die Begrifflichkeit Schöpfung ist gegenüber dem Synonym Natur so zu verstehen, dass Schöpfung - im Gegensatz zu Natur - nicht nur messbar, empirisch erfassbar und mit "Naturgesetzen" durchdrungen erfahrbar ist, sondern auch mit Kategorien wie Ästhetik und Spiritualität zu betrachten ist und somit eine sinnvolle und schützenswerte Qualität hat. 
Der Mensch ist bei einem derartigen Verständnis von Natur als Schöpfung Partner Gottes und Ebenbild Gottes. Ihm kommt bei der Vollendung des Schöpfungsplans eine ganz besondere Rolle zu. Der Mensch ist befähigt in Freiheit die Menschheitsgeschichte zu gestalten und im Schöpfungsprozess mitzuwirken (Macht euch die Erde untertan, vgl. Gen 1,28). Die endgültige Vollendung bleibt allerdings Gott vorbehalten (vgl. dazu den Begriff des schöpferischen Vorbehalts in Analogie zum eschatologischen Vorbehalt, nachdem das Reich Gottes zwar mit Jesus angebrochen ist, aber noch seiner Vollendung harrt). Die Gestaltung der Schöpfung ist dabei als Schöpfungspartnerschaft zu verstehen. Dem Menschen ist die Sorge für die Schöpfung übertragen (vgl. dazu Gen 2, 15: Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte). Recht verstanden bedeutet also der Appell, dass der Mensch die Erde "unterwerfen" solle Ehrfurcht vor der Unversehrtheit der Schöpfung, die Verbundenheit des Menschen mit allem Geschaffenen, die verbietet, dass Mitgeschöpfe (Pflanzen und Tiere) nur als Mittel zum Zweck missbraucht werden. So gesehen geht es nicht um eine pure Anthropozentrik (Mensch im Mittelpunkt), sondern um eine Haltung der Achtsamkeit und der Ehrfurcht vor der Unversehrtheit der Schöpfung. 
Der Mensch selber bleibt als Gottes Ebenbild der Verfügbarkeit anderer Menschen entzogen. Menschliches Leben ist in all seinen Facetten "heilig" und mit einer unverletzlichen Würde von Gott ausgestattet.
Die Achtsamkeit vor der Schöpfung wird übrigens im "Sonnegesang des Franziskus" (als Laudato si ein bekanntes Kirchenlied geworden) deutlich: 

Du höchster, allmächtiger, guter Herr,
Dein sind das Lob und der Ruhm und die Ehre und aller Segen.
Dir allein, Du Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, Deinen Namen zu nennen.
Gelobt seist Du, mein Herr, mit all Deinen Geschöpfen,
Schwester Sonne besonders, die den Tag macht und durch die Du uns erleuchtest.
Schön ist sie und strahlend mit großem Glanz, ein Bild von Dir, Du Höchster.
Gelobt seist Du, mein Herr durch Bruder Mond und die Sterne;
am Himmel hast Du sie gebildet, klar und kostbar und schön.
Gelobt seist Du, mein Herr, durch Bruder Wind, durch Luft und Wolken,
durch den heiteren Himmel und jegliches Wetter,
durch das Du Deinen Geschöpfen den Unterhalt gibst.
Gelobt seist Du, mein Herr, durch Schwester Wasser,
die sehr nützlich und demütig ist und kostbar und rein.
Gelobt seist Du, mein Herr, durch unseren Bruder, das Feuer, durch das Du uns erleuchtest die Nacht.
Schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.
Gelobt seist Du, mein Herr, durch unsere Schwester Mutter Erde,
die uns trägt und ernährt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter.
Gelobt seist Du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen um Deiner Liebe willen und Krankheit leiden und Not.
Selig, die ausharren in Frieden, denn von Dir, Du Höchster, werden sie einst gekrönt.
Gelobt seist Du, mein Herr, für unseren Bruder, den leiblichen Tod, dem kein lebender Mensch entrinnen kann.
Weh denen, die sterben in schwerer Sünde;
selig jene, die erfunden sind in Deinem heiligen Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen nichts Böses antun.
Lobet und preist meinen Herrn und dankt und dient ihm mit großer Demut.


[1] Johannes Kaiser, Kath. Religion 2, Abiturtraining, Freising 1998, S. 40