Zerrbilder Gottes – fragwürdige, gar gefährliche Gottesvorstellungen

Vorbemerkungen
Den Missbrauch Gottes gibt es, so lange überhaupt Gott gedacht wird. Dieser Missbrauch, der sich nicht selten in Zerrbildern Gottes niederschlägt, wurde und wird vielfach angewandt, um eigene Interessen durchzusetzen. Gott wird so instrumentalisiert. Gott wird "definiert", also im Wortsinne begrenzt, in einem je nach eigenem Interesse gefärbten Licht dargestellt und für eigene interpretiert und nicht selten missbraucht.
Dabei kann durchaus gelten, dass jeglicher Anspruch, Gott letztlich fassen zu wollen, zum Scheitern verurteilt ist und größte Skepsis hervorrufen muss. Gott bleibt im Letzten dem Zugriff und dem Verstehen des Menschen entzogen. Wenn es jemand ernst meint mit Gott, dann werden Erfahrungen wiedergegeben. Erfahrungen, die Menschen mit Gott und dessen Nähe gemacht haben. So wird etwa das Alte Testament als "Geschichte Israels mit seinem Gott Jahwe" bezeichnet. In dieser Geschichte wird dann eben auch die Geschichte des Volkes so gedeutet, dass sie von Gott bestimmt ist, dass Gott wirksam ist in dieser Geschichte, dass Gott Dialogpartner des Volkes Israel und des Gläubigen selbst ist. In der Sprache der Theologie wird diese Gottesvorstellung als "theistisch" bezeichnet, wohingegen ein "deistisches" Gottesbild letztlich einen philosophischen Gott als "unbewegten Beweger", als Erstursache oder etwa als Schöpfer der Welt, der diese dann sich selbst überlassen hat meint.
Die Konsequenz aus dem gebotenen Respekt, der in Bezug auf die Ergründung Gottes geboten ist, ist letztlich die so genannte "Negative Theologie", die besagt, dass von Gott nur das ausgesagt werden kann, was er eben nicht ist und nicht das, was und wie er ist. In letzter Konsequenz kann so von Gott gar nichts ausgesagt werden.
Für die Christen wird Gott in der letztgültigen Offenbarung, die Jesus Christus ist, fassbar, verstehbar, "sichtbar" oder konkret. Alles also, was wir über Gott aussagen können, ist letztlich das, was wir über Jesus Christus aussagen können.
Im Folgenden seien einige in der Geschichte der Theologie immer wieder vertretenen Gottesbilder vorgestellt.
Der Lückenbüßergott
Gott wird zur unwissenschaftlichen Erklärung unerforschlicher Phänomene (wie Aids oder früher Pest und Cholera, die als „Geißel Gottes“ oder Strafe Gottes verstanden wurden) herangezogen. Dieses Gottesbild, das sich mit der Weiterentwicklung der Naturwissenschaften auf einem ständigen und aussichtslosen Rückzug befindet, wird heute vornehmlich noch von Fundamentalisten und naiv Bibelgläubigen vertreten.
Von einem Lückenbüßergott spricht man auch dann, wenn Gott dann auf den Plan tritt, wenn naturwissenschaftliche Erklärungsmuster versagen (so etwa bei der Frage, was vor dem Urknall war).  
Der funktionalisierte Gott
In der Geschichte, zuweilen auch noch heute, ist vielfach ein Missbrauch Gottes zur Legitimierung und Festigung obrigkeitlicher Macht und Gewalt festzustellen. So leiteten die Könige ihre Autorität „von Gottes Gnaden“ ab und nicht von der Beauftragung des Volkes. Kriege wurden „in Gottes Namen“ geführt. Zu den Kreuzzügen wurden die Menschen mit der Behauptung „Gott will es“ aufgerufen. Terroristen werden als „Gotteskrieger“ bezeichnet. Terroranschläge werden mit dem „Heiligen Krieg“ in Verbindung gebracht. Auf den Koppeln deutscher Soldaten stand früher „Gott mit uns“.
Nicht selten wurde Gott auch für Erziehungszwecke missbraucht (vgl. dazu etwa auch Tilmann Moser, Gottesvergiftung), wobei er als ständiger Aufpasser und richtender Gott vorgestellt wurde. Dieses Gottesbild führte häufig zu Fehlentwicklungen in der Gottesfrage und zu einer bedrohlichen Freiheitsbegrenzung der Menschen. Diese Vorstellung von Gott wird auch als "Aufpasser- und Kontrolleur-Gott" bezeichnet.
Auch die Kirche hat in ihrer Geschichte Gott nicht selten benutzt, um eigene Interessen durchzusetzen und mit Gott gar Geld zu machen (vgl. Ablasshandel, Hexenprozesse....). 
Der harmlose („liebe“) Gott
Die Liebe Gottes und dessen Langmut wird zur Verharmlosung der eigenen Verantwortlichkeit und als Legitimierung für eigenes Fehlverhalten (in der Sprache der Theologie Sünde) und ausbleibende Korrektur (in der Sprache der Theologie Bekehrung und Buße) missbraucht. Wenngleich das christliche Gottesbild durchaus Gott als die Liebe kennt und den barmherzigen und gütigen Gott erhofft, bedeutet dies allerdings auch, dass der Mensch – so etwa auch explizit in der Botschaft Jesu – zur Umkehr gerufen ist. Diese Umkehr, also das "rechte Verhalten" des Menschen, wird als Antwort des Menschen auf die Liebe Gottes verstanden.
Der männliche bzw. weibliche Gott
Sowohl Patriarchalisten als auch Feministinnen neigen zu einer Verzerrung der Geistigkeit und Transzendenz Gottes in eine biologistische und somit unverantwortliche anthropomorphe Sichtweise Gottes. So etwas wie das zugegebenermaßen humorvolle Motto der feministischen Theologie ist: "Als Gott den Mann erschuf, übte sie nur..."
Gott als jenseitiger Tröster und Belohner
Von den Machthabenden wurde Gott vielfach als Alibi für verweigerte menschliche Hilfeleistung und fehlende soziale Haltung missbraucht. Das irdische Jammertal – so die Vorstellung – wird durch die Herrlichkeit des ewigen Lebens ausgeglichen. Es war vor allem Karl Marx, der diese Gottesvorstellung heftig kritisierte und die Religion als „Opium des Volkes“ bezeichnete.
Gott als Lakai
Die Menschenfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft Gottes wird missbraucht. Man ruft Gott nur an, wenn man von ihm etwas braucht oder wenn man zu bequem ist, selbst für das eigene Wohl zu sorgen. Gott wird so für selbst zu verantwortende Probleme des Menschen verantwortlich gemacht.
Weitere, z. T. auch "naive" Gottesbilder
- Der Versicherungs-Gott: Das ist die Vorstellung von Gott, nach der wir uns durch entsprechende Kulthandlungen gegen alle nur möglichen Gefährdungen unseres Lebens absichern wollen. 
- der Weihrauch-Gott: Er kommt besonders gern zu Gast bei Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen. Bei solchen Gelegenheiten bringt er dann eine schön feierliche Stimmung mit. 
- Der Klempner-Gott: Man ruft ihn an, wenn etwas nicht funktioniert. Dann hat er gefälligst zu kommen und zu helfen. Ansonsten aber lässt man ihn in Ruhe.
- Der Mitmenschlichkeits-Gott: Dieser Gott scheint derzeit der Gefragteste zu sein. Er "ereignet sich im Mitmenschen" und ist vornehmlich für Gastarbeiter, Obdachlose, für Unterdrückte und für die Armen in der Dritten Welt zuständig. Diese Gottesvorstellung reduziert Gott auf die Beziehung zum Mitmenschen. Dennoch ist zu sagen, dass natürlich der Glaube zu tätiger Anteilnahme und zu Solidarität mit den Unterprivilegierten herausfordert.
- Der Höchstes-Wesen-Gott: Das ist der Gott, den es als logische Konsequenz unseres Denkens, vielleicht gar als Ergebnis unserer philosophischen Überlegungen im Zusammenhang mit dem Versuch, Gott zu beweisen, gibt. Dieser Gott hat allerdings keine Beziehung zu den Menschen, ist nicht Dialogpartner, der den Menschen zum Menschsein ruft. Letztlich ist dies die Vorstellung eines naiven Deismus.

Quelle: Max Auer, Religion 12/13, Vorbereitung auf das Abitur Katholische Religionslehre, 3. Auflage, Suttgarrt 2000, Seite 30f