Das biblische Gottesbild

Vorbemerkungen
Um angemessen von Gott zu sprechen, ist die Auseinandersetzung mit dem biblischen Gottesbild des Alten und Neuen Testaments grundlegend. Dabei wird deutlich, dass auch die Bibel kein eindeutiges oder gar festgelegtes Gottesbild kennt. Die Formulierung Karl Barths, eines evangelischen Theologen, der behauptete "Gott ist der ganz Andere" ist durchaus mit den Erkenntnissen aus der Bibel vereinbar, weil auch bei intensiver Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift deutlich wird, dass Gott als der "Transzendente" (also unsere Wirklichkeit Überschreitende) letztlich der menschlichen Vorstellung entzogen bleibt. Jegliche Gottesvorstellung ist vorläufig und niemals endgültig. Diese Erfahrung hat dazu geführt, dass man oftmals auch von "negativer Theologie" spricht. Damit ist gemeint, dass von Gott vielleicht nur gesagt werden kann, was er nicht ist (also negativ beschrieben werden kann). Die "Negative Theologie", bezeichnet eine philosophische Lehre, nach der positive Aussagen über Gott nicht möglich sind und zum Wesen Gottes nur auf dem Wege von Verneinungen vorgedrungen werden kann. Im Sinne der Negativen Theologie ist das göttliche Wesen das schlechthin "Unbekannte", das "ganz Andere", ein Wesen, das über alle Bestimmungen erhaben ist. Nach der negativen Theologie wird nur gewusst, dass Gott ist, nicht aber, was er ist. In extremer Ausprägung lässt die "Negative Theologie" letztlich gar keine Aussagen über Gott zu. Das alttestamentliche "Bilderverbot", nach dem der Mensch sich kein Bild von Gott machen darf, entspricht dieser Vorstellung, dass Gott eben nicht festzulegen ist. Dennoch ist es Anliegen der Menschen, sich wenigstens einer Ahnung dessen, was und wer Gott ist, zu nähern.
Die Auseinandersetzung mit der Bibel bestätigt, dass die dort zu ergründende Gottesvorstellung niemals statisch, endgültig ist, sondern immer dynamisch und erfahrungsoffen. So gesehen ist auch die Selbstoffenbarung Gottes als "Jahwe", was auch mit den Worten "Ich bin der, der ich sein werde" eine sehr offene Definition. Gott lässt sich auch in dieser Selbstoffenbarung nicht festlegen und verfügbar machen.

Das Judentum, das Christentum und der Islam sind monotheistische Religionen, das heißt, dass sie nur an einen Gott glauben (Gegensatz "Polytheismus", also Vielgötterglaube). Auch dieser Monotheismus hat sich erst im Laufe der Geschichte entwickelt. Frühe biblische Zeugnisse kennen durchaus noch die Situation, dass mehrere Götter miteinander "konkurrieren". So wurde Jahwe als der Gott der Patriarchen oder Väter (Abraham, Isaak und Jakob), der als "Sippengott" die Menschen begleitete, verehrt. Dieser musste seine Macht - wie es in der Bibel mehrfach beschrieben wird - gegen andere Götter "beweisen". Bis zum babylonischen Exil (6. vorchristliches Jahrhundert) kann man höchstens von einer "Monolatrie" sprechen, das bedeutet, dass die Israeliten durchaus mehrere Götter kannten (unter anderem Baal, der als kanaanitischer Gott in der Gestalt des goldenen Stieres oder Kalbes verehrt wurde oder andere Fruchtbarkeitsgötter), als auserwähltes Volk Gottes (Jahwes) aber nur den einen Gott verehren durften. Ausdruck dieses Übergangs zum Monotheismus ist das Gebet "Höre Israel" (hebr. schma), das im jüdischen Morgen- und Abendgebet bis heute formuliert wird: "Höre Israel: Jahwe ist unser Gott, Jahwe als einer allein!" (vgl. Dtn 6,4). Damit gilt, dass es von nun an keine Konkurrenzgottheiten oder Nebengottheiten, keine weiblichen Partnergottheiten (v. a. Fruchtbarkeitsgöttinen wie Astarte oder Ashera u. a.), keine bösen Widersacher (hebr. Satan, gr. diabolos) mehr gibt. Jahwe ist einzig, Herr über alles und darf so auch die ganze Hingabe des Menschen erwarten. Dieser Ein-Gott-Glaube, der Juden, Christen und Muslime eint, bedeutet den Sturz aller traditioneller und moderner Gottheiten (auch die Abkehr von der Vergötzung politischer Mächte und Machthaber und die Negierung moderner Götter wie Mammon, Sexus, Macht, Wissenschaft, Nation...).

Das Bilderverbot
Im Gegensatz zu den kanaanäischen Religionen (Kanaan war das Land, in das Israel einwanderte) oder zur ägyptischen Religion mit ihren zahlreichen - zumeist als Tiere dargestellten - Gottheiten, kennt das Volk Israel das Bilderverbot, das gar an zweiter Stelle des Dekalogs steht (vgl. Ex 20,4-5a). Damit grenzt sich Israel eindeutig von den Religionen seiner Umgebung ab, wenngleich in der Geschichte Israels immer wieder Situationen auftreten, in denen insbesondere die kanaanäischen Gottheiten (wie Baal und Aschera) offensichtlich große Faszination auf Israeliten ausübten (so z. B. dargestellt in 1 Kön 12, wo Jerobeam das Nordreich Israel gegen das Südreich Juda nach der Trennung des Reiches durch goldene Stierbilder abgrenzt, die er dem Volk mit den Worten präsentiert: "Siehe, das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat" (1 Kön 12,28). Auch die Verehrung des goldenen Kalbes zeigt, wie anfällig das Volk Israel immer wieder für "Götzendienst" war. 
Mit dem Bilderverbot soll aber deutlich werden, dass der Gott Israels Jahwe, eben nicht verfügbar zu machen ist mit einem Bild, das die Anbetung eines Bildes oder einer Figur verwerflich ist. Der Gott Israels ist nicht einfach ein Naturgott, ein Fruchbarkeistsgott oder Gewittergott, er ist kein geschöpfliches Wesen (wie etwa die Sonne, die Sterne, der Mond, die zuweilen ja auch als Gottheiten angebetet wurden), sondern der Welt gegenüberstehender Schöpfer. Gott lässt sich nicht bildlich verfügbar machen, festlegen, herbeizitieren, durch rituelle Handlungen wie Opferungen gefügig machen. Gott bleibt der "Unverfügbare", der, "der er sein wird", wie die Jahwe-Offenbarung auch verstanden werden kann. (siehe unten)
Das Bilderverbot hat die Menschen immer wieder beschäftigt und in der Geschichte der Kirche gar zu einem Schisma (Kirchentrennung) geführt.
Ein  - wie etwa im Islam, wo absolut keine Gottesbilder möglich sind (vgl. dagegen die reiche islamische Ornamentik als "Ersatz" - rigides Bilderverbot hat sich in der jüdisch-christlichen Realität nie ganz durchsetzen können. Schon früh wurden für Gott bildnerische Symbole (z. B. Dreieck, Hand, Wolke) verwendet. Michelangelo hat sich nicht gescheut, in der Sixtinischen Kapelle Gott sehr plastisch darzustellen (vgl. die Schöpfungsszene). Gerade bildhafte Darstellungen Gottes neigen allerdings sehr dazu, sich Gott sehr anthropomorph (klassische Vorstellung: weiser, alter Mann mit Bart) vorzustellen, die allerdings Gott niemals gerecht werden können. So gesehen hat das Bilderverbot durchaus seinen Sinn.
Theologisch wird mittlerweile Jesus Christus als die "Ikone" Gottes verstanden. Dabei ist mit dieser Ikone (Bildnis) allerdings kein physiognomisches Abbild gemeint, sondern Bild/Ikone als Offenbarung dessen, was Gott ist. 

Grundzüge des alttestamentlichen Gottesbildes
- Gott der Befreiung und Bundesgott
Die zentrale Erfahrung Israels ist, dass Gott (JHWH) sein Volk aus der ägyptischen Knechtschaft und Sklaverei in das Land, wo "Milch und Honig fließen" geführt und somit befreit hat. Diese Befreiung aus der Knechtschaft, die durch Mose im Namen JHWH erfolgte, wird in ähnlicher Weise als Befreiung aus dem "babylonischen Exil" (6. Jahrhundert v. Chr.) erneut erfahren. Gott ist also ein Gott der Freiheit.
Israel deutet die Befreiung aus der Sklaverei und die Führung durch die Wüste, die nach biblischer Überlieferung 40 Jahre gedauert haben soll, als Tat Gottes. So heißt es auch zu Beginn des Dekalogs (Ex 20, 2ff): "Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft herausgeführt habe." Als Antwort auf diese Befreiungstat JHWH ist der Dekalog zu verstehen. Die 10 Gebote sind quasi die "Ausführungsbestimmungen" des Bundes, den JHWH mit seinem Volk geschlossen hat. Die Grundsatzerklärung des Bundes ist auf der so genannten ersten Tafel mit den ersten drei Geboten (Du sollst keine anderen Götter neben mir haben; Du sollst dir kein Götterbild machen; Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen). Die darauf folgenden Gebote sind nicht Begrenzungen und Einschränkungen des Menschen, sondern Verheißungen, die letztlich Leben in Gemeinschaft ermöglichen. Das Sabbatgebot ermöglicht, dass der Mensch nicht auf Arbeitsleistung reduziert wird, sondern Anrecht auf einen gottgegebenen Ruhetag hat. Das Gebot, "Ehre deinen Vater und deine Mutter" hat zur Konsequenz, dass alte Menschen, die nicht mehr arbeitsfähig sind, nicht Einsamkeit und Not befürchten müssen, sondern gepflegt und geachtet werden (quasi ein sozial- und familienpolitisches Programm). Schließlich werden Eigentum, das Leben, die Familie und die Wahrheit vor Willkür geschützt. Wer sich gegen diese wendet, wendet sich gegen JHWH.  
- Gott der Geschichte, Jahwe
Dieser Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei geht die Selbstoffenbarung Gottes am "brennenden Dornbusch" (Ex 3) voraus. Dort gibt Gott seinen Namen preis. Der Name Gottes ist uns als so genanntes "Tetragramm" überliefert. Die vier Buchstaben (Konsonanten) lauten JHWH (demnach wird in einer "wissenschaftlichen" Schreibweise der Gottesnamen Jahwe meist mit den groß geschriebenen Buchstaben JHWH dargestellt). 
Die Namensoffenbarung am brennenden Dornbusch (Ex 3, 1-15), als Gott Mose seinen Namen preis gibt, eröffnet wesentliche Grundzüge des biblischen Gottesbildes. Bei dieser Namensoffenbarung wird auch deutlich, dass es sich bei dem Gott, den Moses "erfährt" um den Gott der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob handelt. Die unterschiedlichen Übersetzungen des Jahwenamens, der uns als Tetragramm JHWH überliefert ist, können dies belegen.
Zum einen wird das Tetragramm JHWH übersetzt als "Ich bin der Ich-bin-da". Damit wird die Nähe Gottes zu den Menschen, seine Geschichtsmächtigkeit deutlich. Er ist ein helfender und heilvoller Gott, was immer auch geschehen möge. Gott meint es gut mit den Menschen. Dietrich Bonhoeffer trifft die Gleichzeitigkeit von Nähe und Transzendenz Gottes mit seiner Formulierung. Er sagt: "Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig". Gott nimmt mit den Menschen Beziehung auf. Man könnte vielleicht auch übersetzen: "Ich bin der, der für euch da sein wird". Im Judentum wird angenommen, dass das Tetragramm besonders den Aspekt von Gottes Gnade betont. Eine andere Übersetzung lautet: "Ich bin, der ich bin" oder "Ich werde sein, der ich sein werde". Die Offenheit dieser Übersetzung macht deutlich, dass Gott eben nicht festlegbar, verfügbar, im wahrsten Sinne des Wortes definierbar (also begrenzbar) ist. Vielmehr erweist sich Gott immer wieder als überraschend, unverfügbar, dynamisch, nicht statisch, auf die Zukunft gerichtet. 
- Gott der ganz Nahe und der ganz Ferne
An anderer Stelle in der Bibel wird deutlich, dass Gott zugleich nahe und fern, verborgen ist. Dies wird unter anderem in der Geschichte der Begegnung von Elia mit Gott am Berg Horeb deutlich (1 Kön 19, 11-13). Gott zeigt sich in dieser Perikope nicht in machtvollen Zeichen wie Wind, Feuer oder Erdbeben, sondern im "leisen Wehen" oder auch als "Säuseln des Windes" übersetzt. Der bedeutende jüdische Philosoph und Theologe Martin Buber bezeichnete dies mit seiner Übersetzung "ER (damit ist Gott gemeint) - eine Stimme verschwebenden Schweigens". 
Die Juden sprechen übrigens bis auf den heutigen Tag den Namen Gottes nach dem Tetragramm JHWH nicht aus. Vielmehr setzen sie an Stelle der Aussprache des Tetragramms den Begriff "Adonai" (=mein Herr) oder Elohim (=Gott). Von daher ist auch zu erklären, dass die richtige Vokalisation (also die Aussprache des Namens mit Vokalen) nicht klar ist. Eine Möglichkeit ist die Bezeichnung "Jehova", die durch Überlagerung der Vokale von "elohim", was soviel wie Herr, Gott bedeutet, entstanden ist. Eine andere Möglichkeit wäre Jaho, Jehwah, Jehwih, Jehowih oder auch Jahwe (häufig als Jachwä ausgesprochen). Im hebräischen Text des AT kommt der Name in der Form des Tetragramms JHWH übrigens mehr als 6800 Mal vor. 
- Gott der Schöpfer der Welt
Ein weiteres wesentliches Element der Gotteserfahrung Israels ist, dass Gott als der Schöpfer erfahren wird. Die Welt, so wird vor allem im priesterschriftlichen Schöpfungsbericht (Gen 1, 1 - 2, 4a) deutlich, ist Gottes Schöpfung, die Natur wird entdivinisiert (entgöttlicht). Die Gestirne, die Sonne, der Mond, die etwa bei den Babylonien noch als Gottheiten verehrt wurden, sind Geschöpfe Gottes und somit eben nicht göttlich. Die Schöpfung ist gut (Und Gott sah, dass es gut war) und nicht bedrohlich. Gott steht über Raum und Zeit (er schuf Tag und Nacht, die Welt, den Himmel und die Bewohner der Erde). Er selbst ist dagegen nicht entstanden, sondern war schon immer. Andere Kulturen kennen in ihren Mythen so genannte "Theogonien", also Sagen über die Entstehung der Götter. Der Mensch wird in der Schöpfung als Gottes Ebenbild hervorgehoben. Ihm wird der Auftrag gegeben, an der Schöpfung mitzuwirken (creatio continua, also andauernde Schöpfung). Man beziechnet dies mit dem Fachbegriff, dass der Mensch "Mandatar" Gottes ist.
- Gott ist die Liebe, mütterliche Züge Gottes
Schon das Alte Testament kennt übrigens neben dem gerechten und "eifersüchtigen" Gott auch die Eigenschaft eines sehr liebevollen, geradezu mütterlichen Gottes. Dies wird unter anderem in Hosea 11, 1-11 deutlich. Man spricht im Zusammenhang mit dieser Textstelle auch von einem "mütterlichen Gottesbild", das in der Formulierung "Denn Gott bin ich, nicht Mann" (oftmals falsch übersetzt mit: Denn Gott bin ich, nicht Mensch) gipfelt. Neuere Forschungen, vor allem von Seiten der so genannten feministischen Theologie haben erwiesen, dass auch die Einheitsübersetzung sich scheut, die Bilder mütterlicher Sorge, die in Hosea 11 verwendet werden, angemessen zu übersetzen. In dieser Perikope wird wohl davon gesprochen, dass Gott Israel "wie einen Säugling gestillt habe". So ist es wohl in Vers 3 die Übersetzung "Und ich lehre Ephraim laufen" nicht richtig, weil im gleichen Vers vom "auf die Arme nehmen" die Rede ist, was beim Versuch, jemanden das Gehen zu lernen eher kontraproduktiv wäre. Vielmehr müsste dieses Laufen lernen eher mit Stillen übersetzt werden. Übrigens wurde dieser mütterliche Zug auch in neuerer Zeit immer wieder aufgegriffen. So ist von Papst Johannes Paul I aus dem Jahre 1978 folgendes Zitat überliefert: "Gott ist Vater, und mehr noch, er ist unsere Mutter".
- Gott der Unverständliche und Dunkle
Trotz der obigen Annäherungen an ein Verständnis Gottes bleibt festzuhalten, dass Gott für die Menschen des Alten Testaments (und des Neuen Testaments und unserer Zeit) letztlich nicht verstehbar bleibt. Es gibt tatsächlich geschilderte Erfahrungen in der Bibel, die uns Gott als zumindest unverständlich, wenn nicht "dunkel" erscheinen lassen. Dabei sei etwa an die Stelle der "Beinahe-Opferung" Isaak (Gen 22, 1-14) erinnert, wo Gott offensichtlich so sehr Glaubensgehorsam einfordert, dass er gar mit dem Leben des Sohnes von Abraham, Isaak, "spielt". Auch die Geschichte Hiobs lässt uns Gott als sehr unverständlich erscheinen. Lässt er sich doch auf eine Herausforderung Satans ein, der Hiob quasi zum Spielball macht und dessen Glaubensgehorsam "testet". Gleichwohl zeigt die Hiobsgeschichte schließlich aber auch Gott, der sich dem hadernden und zweifelnden, gar anklagenden Hiob zuwendet und ihm so wieder neue Perspektiven schenkt. 
Es bleibt dabei: Gott kann nicht mit unserer Sprache und unserer Vorstellungskraft erfasst werden. Alle Aussagen über Gott bleiben "anthropomorph", also in menschlicher Vorstellung und damit eben vorläufig und höchstens dem Geheimnis Gottes tastend auf der Spur. Der Begriff des "Mysteriums" Gott, also des Geheimnis ist also nicht einfach ein leichtfertiges Eingeständnis, von Gott nichts zu wissen, sondern zeugt davon, dass der Mensch mit all seiner Intelligenz und Klugheit eben doch gefangen bleibt in seiner Vorstellungswelt. Wer also behauptet zu wissen, wer Gott sei, ist vermessen und übersteigt seine Kompetenz. Wir können letztlich nur ahnen, wer Gott ist.

Das Gottesbild des Neuen Testaments
Das Bild des liebenden Gottes prägt auch die Gottesvorstellung des Neuen Testaments. Dies gipfelt im 1. Johannesbrief, wo Gott geradezu als "die Liebe" bezeichnet wird (vgl. dazu 1 Joh 4, 7-16). Eine geradezu innige Gottesverbindung zeigt auch Jesus, der von Gott als seinem Vater, gar von "Abba", also Papa, spricht und auch uns die Bezeichnung "Unser Vater" (vgl. das Vater-unser-Gebet) nahe legt. Im Gebet "Vater unser", das in der Bergpredigt (Mt 6, 9-13) wird aber auch deutlich, dass Gott nicht einfach in unserer Welt ist, sondern transzendent: Vater unser im Himmel(!), sein Name soll geheiligt werden, sein Wille soll geschehen. Die Einschätzung von Franz Alt, der behauptet, dass Gott von Jesus als "mütterlich-liebender Vater" vorgestellt wird, ist allerdings nicht zulässig, weil sie die Aussagen Jesu über den Gott des Gerichts einfach übersieht. Es ist also auch im Neuen Testament kein Gott, der verharmlost werden darf oder - noch einmal - verfügbar und beeinflussbar ist, weil eben "sein Wille (und nicht unser Wille) geschehen soll"(!). Mit Jesus, dem Sohn Gottes, wird insgesamt allerdings eine liebende, dienende, nicht an Macht orientierte Gotteserfahrung deutlich. Gott ist der "barmherzige Vater" (vgl. das gleichnamige Gleichnis Lk 15, 11-32). Dieses Gleichnis (siehe Bild von Sieger Köder), das nur von Lukas überliefert ist, zeigt, wie Gott auch die Verlorenen, die Sünder wieder in seine Arme aufnimmt. Gott selbst ist es - in der Gestalt des "barmherzigen Vaters", der auf den Sohn, der reumütig zurückkehrt, zugeht. Kaum ein anderes Gleichnis macht deutlich, welches Gottesbild Jesus hatte. Die Rückkehr des auf eigenen Beinen stehenden Sohnes wird zum Fest, zur Versöhnung und zeigt die alles übersteigende Barmherzigkeit des Vaters. Wie schwer diese allerdings für die Menschen verstehbar ist, zeigt der treue Sohn, der in dieser Szene eigentlich zum "verlorenen" Sohn wird, weil er die Freude über die Rückkehr seines missratenen Bruders nicht ebenfalls freudig aufnimmt, sondern in Neid sich abwendet.
- Jesus Christus, der Sohn Gottes, ja Gott selbst
Das Gottesbild des Neuen Testaments wird insgesamt in Jesus deutlich. Er ist "das Ebenbild des unsichtbaren Gottes", er ist die letztgültige "Ikone" Gottes. Im Johannesevangelium heißt es dazu: "In Jesus wird Gott sichtbar" (Joh 14, 8-11). Die herausragende Stellung Jesu als Gott, als Sohn Gottes, als Offenbarung Gottes, als Mensch gewordener Gott wird auch im Neuen Testament an verschiedenen Stellen ausgeführt. So etwa im Johannesprolog (Joh 1, 1-18), der mit der Formulierung "Im Anfang war das Wort" bewusst auf die Schöpfungsgeschichte verweist und deutlich macht, dass Jesus das "Fleisch (also Mensch) gewordene Wort (Logos)" ist. Vielleicht noch deutlicher wird dieser Gedanke im so genannten Philipper-Hymnus (Phil 2,5 - 11). 
Jesus, der ursprünglich der das Reich Gottes verkündende war, wird selbst zum verkündigten, also zum Gegenstand der Theologie und zu Gott.
Das Gottesbild des Neuen Testaments wird im Wesentlichen in der Reich-Gottes-Botschaft Jesu deutlich. Diese ist geprägt davon, dass Gott - in und mit Jesus - das Heil der Menschen möchte, selbst wenn die Menschen diesen Bund mit Gott immer wieder gebrochen haben. Jesus selbst zeigt in seinen Gleichnissen (vgl. barmherziger Vater) wie Gott den Menschen immer wieder eine Chance zum Neuanfang gibt. Gefordert wird allerdings dabei auch die Umkehr, die Bereitschaft des Menschen, sein Leben wieder neu auf Gott und die Gemeinschaft auszurichten. Gnade wird also nicht einfach dem Menschen zuteil, sondern fordert die Annahme, den Glauben des Menschen. "Gratia supponit naturam", so lautet ein bekannter theologischer Grundsatz, also Gnade setzt die Natur voraus. Wie umfassend das Heil allerdings dann von Gott den Menschen zuteil wird, wird in den Zeichenhandlungen (oftmals als "Wunder" bezeichnet) deutlich. Das Heilsein des Menschen ist nicht auf das Jenseits reduziert, sondern soll schon im irdischen Leben Wirklichkeit werden. In besonderer Weise, allerdings nicht exklusiv(!), wird die Reich-Gottes-Botschaft den Entrechteten, den Unterprivilegierten, den Armen und den "Menschen guten Willens" zuteil. Dies wird u. a. in den Seligpreisungen der Bergpredigt (Mt 5) deutlich. Wie sehr die Fürsorge Gottes den Menschen zuteil wird, wird in der Perikope von der "unnötigen Sorge" (Mt 6,25-34, also ebenfalls noch in der so genannten "Bergpredigt") deutlich. Gott, der Schöpfer und Bewahrer der Welt (also wieder ein "geschichtsmächtiger" Gott) sorgt für die Menschen wie er sich um die Vögel und Blumen des Feldes sorgt.
Der Aspekt des gnädigen, barmherzigen, liebenden Gottes wird also im neutestamentlichen Gottesbild deutlicher, als dieser im AT ausgeführt ist. Dennoch kennt auch das AT (oder die Hebräische Bibel) das Bild vom "gnädigen und barmherzigen Gott, langmütig und reich an Huld" (vgl. Jona 4,2.10f) oder den Gott der Vergebung (Nehemia 9,17). Eine Abgrenzung des Gottesbildes nach dem Schema "AT: Gott des Gerichts; NT Gott der Liebe) ist also nicht zulässig.

Gott fordert, richtet und vollendet (Vgl. dazu auch "Gerechtigkeit in der Bibel")
Das Gottesbild der Bibel (Altes und Neues Testament) ist ein dialogisches. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Vergebung Gottes, das Zugehen Gottes (im Bild etwa durch das Zugehen des Vaters auf den verlorenen Sohn, Lk 15 oder die Offenbarung Gottes im brennenden Dornbusch) auf die Menschen vorherrscht. Immer wieder eröffnet Gott eine neue Verbindung, vergibt er den Menschen, die sich von ihm abwenden und anderen Götzen sich zuwenden, selbst das Glück suchen. 
Dennoch bedeutet das dialogische Verhältnis zu Gott, dass dieser den Menschen auch einfordert, ihm etwas zu-mutet und zu-traut. Wenn der Mensch die Zuwendung Gottes ablehnt, muss er auch mit den Konsequenzen rechnen. In diesem Sinne kann Gott durchaus auch als "Richter" gesehen werden. Die Gerechtigkeit Gottes ist allerdings nicht eine Buchhaltergerechtigkeit, die gute Taten gegen böse Taten aufrechnet. Vielmehr fordert Gott - so zumindest kann es aus der biblischen Erfahrung geschlossen werden - das Herz des Menschen, seinen Glauben, seine Umkehr, seine Bereitschaft zur Reue. 
Zahlreiche prophetische Texte aus dem Alten Testament unterstützen dieses Verständnis. Der Bundesschluss am Sinai (vgl. Ex 20) ist als Vertrag auf Gegenseitigkeit formuliert (Gott ging mit der Befreiung aus Ägypten in "Vorleistung" und fordert nun von Seiten der Menschen die 10 Gebote ein).
Auch im Neuen Testament begegnet uns in der Botschaft Jesu ein fordernder Gott. Deutlich wird dies etwa in der Perikope "Vom Weltgericht" (Mt 25, 31-46), wo davon berichtet wird, wie Gott "wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheiden" wird. Dabei wird als entscheidendes Kriterium dafür, ob jemand das ewige Leben oder die ewige Strafe erhalten wird, das Verhalten des Menschen genannt. Die Perikope gipfelt in dem Satz "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt 25, 40b). Das Verhalten der Menschen zu den Mitmenschen wird also als Verhalten gegenüber Gott selbst interpretiert. 
Die Aussicht auf das ewige Leben, die Aussicht also auf Vollendung, wird dabei durch die Auferstehung Jesu Christi ermöglicht (vgl. 1 Kor 15, 20-28).  

 
Quellen: 
Handreichungen zum Lehrplan für das Fach Katholische Religionslehre in Baden-Württemberg, hg. vom Erzbischöflichen Ordinariat Freiburg und vom Bischöflichen Schulamt der Diözese Rottenburg-Stuttgart, 1997
Helen Schüngel-Straumann, "Denn Gott bin ich, nicht Mann", Gott als Mutter in Hosea 11, in: Bibel heute, Heft 4/1999, Seite 102 bis 105
Peter Kliemann, Glauben ist menschlich, Argumente für die Torheit vom gekreuzigten Gott, Calw, 10. Auflage 2001

Günter Brutscher
Stand: Februar 2005